Liebe Mitglieder, liebe Interessierte
Erschüttert sitzen wir vor unsern Geräten und hören, schauen, was sich im Osten Europas abspielt. Unsere Hoffnung, dass der Frühling die Corona-Pandemie abflauen, ja vielleicht sogar verschwinden lässt, und dann alles wieder einigermassen ist wie zuvor, hat sich jäh zerschlagen.
Hatten wir es in den letzten zwei Jahren vor allem mit Phantasten zu tun oder mit Menschen, die ohnehin allem misstrauen, das einen offiziellen Anstrich hat, wenn es um Zweifel am seriösen, sachlichen, faktengeprüften Journalismus geht, stehen wir jetzt vor einer ganz neuen Herausforderung: Zur Unterscheidung zwischen faktentreuer Information und Falschinformationen, also Fake News, kommt jetzt eine weitere Kategorie hinzu: die Propaganda. Neutrale Bilder aus einem Krieg gibt es nicht. Die Aufgabe für die Journalistinnen und Journalisten wächst damit nochmals um eine sehr heikle Dimension.
Erstmals habe ich in meinem Leben bewegte Bilder aus dem Vietnam-Krieg gesehen. Es gab nur einen Kanal, über den sie bei uns verbreitet wurden, das Schweizer Fernsehen, allenfalls die ARD – beide verfügten über die gleichen (amerikanischen) Quellen.
Heute gibt es eine nahezu unbegrenzte Bilderflut: unzählige Fernsehkanäle, Online-Portale, dazu die sogenannten Sozialen Medien. Die Verantwortung der Medien, die sich für den unabhängigen, sachlichen, seriösen Journalismus einsetzen, ist riesig. Sie müssen den Schrecken des Kriegs abbilden, ohne eine Faszination dafür auszulösen. (Eine grosse Gefahr sehe ich da in den alltäglich wiederkehrenden Bildern nächtlicher Angriffe, die zwangsläufig genauso nach Feuerwerk aussehen können wie nach Krieg. Ich mache dem online-Portal Watson ein grosses Kompliment dafür, dass es die Nachtzusammenfassung konsequent ohne Bilder zeigt.)
Zentral ist für mich, dass Bilder aus dem Krieg immer und ununterbrochen mit Quellenangaben versehen werden. Was in Zeitungen selbstverständlich ist, muss auch fürs Fernsehen, für Webportale gelten. Agenturbilder müssen ebenso durchgehend (und nicht nur ein paar Sekunden lang) als solche gekennzeichnet sein wie selbst produzierte Filme. Es reicht nicht, Propaganda-Filme der einen oder andern Seite als solche erkennbar zu machen und das Publikum daraus schliessen lassen, dass alles nicht gekennzeichnete aus glaubwürdigen Quellen stammt. Es ist unumgänglich, auch diese zu benennen.
Dies gibt den Zuschauerinnen und Zuschauern die Grundlage, um glaubwürdige Bilder selbst einordnen zu können. Alles, was uns hilft, mit diesem unsäglichen Thema zurechtzukommen, ist erwünscht, ja nötig.
Lassen Sie mich zum Schluss doch noch einen Bogen zu unserem Vereinsalltag machen. Nachdem die Corona-Einschränkungen gefallen sind, ist wieder Schwung in unsere Planung gekommen. Die Arbeitsgruppen haben schnell Ideen entwickelt, und wir werden im Verlauf des Jahres wieder bei verschiedenen Gelegenheiten den Kontakt mit Ihnen suchen – den Mitgliedern ebenso wie den weiteren am unabhängigen Journalismus interessierten Menschen. Als erstes steht unsere Generalversammlung am 9. Mai in Solothurn bevor. Die Mitglieder werden die Einladung Anfang April erhalten. (Wer noch nicht Mitglied ist, kann noch rechtzeitig beitreten: Anmeldung)
Wie seit einigen Jahren üblich, werden wir auch dieses Jahr an Wochenmärkten in der Region den Kontakt zur Bevölkerung suchen, um die Diskussion über unabhängigen, seriösen Journalismus zu führen. Wir haben unsere Standorte aufgrund der Erfahrungen leicht angepasst, und statt vier besuchen wir neu sechs Märkte in der Region: Solothurn, Olten (neu am Donnerstag), Aarau, Zofingen, Brugg und Bremgarten.
Ich freue mich auf spannende Begegnungen!