Was bringt der bundesrätliche Marschhalt?
Der Bundesrat stoppt die Arbeiten an der neuen Konzession und will eine Gesamtschau zur SRG; dass er dabei ausdrücklich den Einfluss der SVP-Halbierungsinitiative einbeziehen will, sorgt intern für gewisse Bedenken.
Vor einigen Tagen haben sich der Regionalvorstand der SRG Deutschschweiz und der Verwaltungsrat der SRG SSR getroffen. Dieser Gedankenaustausch findet in der Regel einmal jährlich statt. Aus aktuellem Anlass stand diesmal die Halbierungsinitiative im Mittelpunkt, hatte die SVP doch kurz davor durchblicken lassen, dass sie die nötigen 100'000 Unterschriften beisammen hat. Eingereicht hat die SVP die Initiative allerdings noch nicht; dies wird sie höchstwahrscheinlich im September tun, mitten in der heissen Phase des Wahlkampfs. Dass sie dennoch jetzt den Sammelerfolg öffentlich machte, war wohl ein Ablenkungsmanöver: Wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass sie mit der Unterschriftensammlung für ihre beiden Initiativen gescheitert ist, die das Abtreibungsrecht verschärfen wollten – und das ist für die wählerstärkste Partei der Schweiz doch ein Armutszeugnis. Also wurde schnell das Thema gewechselt und die Halbierungsinitiative in den Vordergrund geschoben.
Die Initiative, die mit dem Slogan «200 Franken sind genug» wirbt, wird von den Medien als Halbierungsinitiative bezeichnet, weil sie die Einnahmen aus der Geräteabgabe halbieren würde. Denn sie will nicht nur die Serafe-Gebühren von heute 335 Franken auf 200 Franken reduzieren, sondern die Unternehmensabgabe gleich ganz abschaffen. Die Unternehmensabgabe, die Firmen (stark nach Umsatz abgestuft) bezahlen müssen, die einen Jahresumsatz von mehr als 500'000 Franken ausweisen, war bereits bei deren Einführung umstritten. Das Volk hat aber 2018 dem entsprechenden Gesetz zugestimmt, und alle Versuche, das zu ändern, sind in der Zwischenzeit im Parlament gescheitert.
Mit der Halbierungsinitiative ist die SVP praktisch allein unterwegs; Unterstützung erhält sie nur von den Jungfreisinnigen, die seinerzeit Urheber der so genannten «No-Billag-Initiative» waren, also notorische SRG-Gegner sind (und natürlich erneut vom Gewerbeverband).
Beim Gremientreffen wurde die Ausgangslage ausgebreitet: Wenn die Initiative im Herbst eingereicht wird, beginnt der parlamentarische Prozess. Eine der zentralen Fragen wird sein, ob der Bundesrat dem Parlament einen Gegenvorschlag zur Initiative unterbreiten wird. Allerdings rechnet niemand damit, dass die Initianten – was auch immer in einem Gegenvorschlag stünde – die Initiative zurückziehen werden. Es wird also bestimmt zu einer Volksabstimmung kommen. Diese wird kaum vor 2026 stattfinden.
Die ersten Entscheide von Bundesrat Rösti zur Medienpolitik haben für die SRG gleichermassen Sicherheit und Verunsicherung gebracht: Der neue Medienminister will bis nächsten Frühling eine «Gesamtschau» zur SRG vornehmen; er hat deshalb die von seiner Vorgängerin Sommaruga aufgegleiste Erneuerung der SRG-Konzession gestoppt und die bisher geltende Konzession auf unbestimmte Zeit verlängert. Das bringt der SRG vorerst Stabilität, regelt die Konzession doch den Anteil der SRG an den Gebühreneinnahmen und die medialen Aufgaben in der heutigen Form. Grosse Unsicherheit bringt allerdings die angekündigte Gesamtschau; irritierend ist, dass der Bundesrat in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Halbierungsinitiative als Einflussfaktor nennt. Selbst die nicht besonders SRG-freundliche Neue Zürcher Zeitung schreibt dazu: «Statt sich hinter die bisherige Strategie zu stellen, nimmt der Bundesrat offensiv Rücksicht auf ein Volksbegehren, das noch nicht einmal eingereicht worden ist. Es scheint, als ob der neue Medienminister mit seiner SRG-kritischen Haltung im Bundesrat auf mehr offene Ohren gestossen ist, als man das bis anhin annehmen konnte.»
Auf die SRG kommen also ungewisse Zeiten zu. Am Gremientreffen wurde betont, dass der Kontakt zu allen interessierten Kreisen gepflegt wird, um die Anliegen der SRG einzubringen. Gleichzeitig wird der laufende inhaltliche Umbau wie geplant weitergeführt. Das bedeutet unter anderem, dass im Konzept SRF 2024 die nächsten Schritte umgesetzt werden, um das Angebot von SRF auf die aktuelle und künftige Mediensituation auszurichten. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, die junge Zielgruppe auf ihren bevorzugten Kanälen anzusprechen. Nur so kann die SRG ihrem Auftrag gerecht werden, unabhängigen Journalismus für die gesamte Bevölkerung bereitzustellen. Dazu gehört gleichzeitig auch, dass die grosse Stammkundschaft von Radio und Fernsehen nicht vernachlässigt wird.