Viel Post für Bundesrat Rösti
Eigentlich hätte der Bundesrat gar keine Vernehmlassung zur Änderung der Verordnung zum Radio- und Fernsehgesetz RTVG machen müssen; Verordnungen kann er allein, sozusagen still und heimlich beschliessen. Aber dem Bundesrat war natürlich klar, dass die Senkung der Haushaltabgabe von 335 auf 300 Franken nicht ein harmloser Entscheid ist. Er hat ja selbst vorgerechnet, wie viel Geld der SRG damit entzogen wird.
Der Kreis der zur Vernehmlassung Eingeladenen war allerdings eng gefasst. Aber das spielt keine Rolle. Ist eine Vernehmlassung einmal eröffnet, können alle daran teilnehmen: Organisationen, Vereine, Interessengemeinschaften und Privatpersonen. Die Möglichkeit wurde rege genutzt: Über 400 Stellungnahmen sind zur Verordnungsänderung eingegangen... Sie alle sind öffentlich verfügbar.
Diese Zahl allein hat schon grosse Bedeutung: Wenn so viele Gruppen und Personen ihre Meinung äussern, steigt das Gewicht des Geschäfts. Noch wichtiger ist aber, dass der Bund Vernehmlassungen auch quantitativ auswertet. Einfach ausgedrückt: Er macht Strichli für zustimmend und ablehnend und zählt diese zusammen. Deshalb spielt es eine Rolle, wie viele Antworten eingehen. Klar, es gibt auch eine qualitative Auswertung: Die Meinung eines Kantons hat mehr Gewicht als beispielsweise jene von «Pro Single Schweiz» (ja, das gibt es!).
Wie die Strichliste ausgefallen ist, ist noch nicht bekannt. Allerdings haben mehrere Medien die Reaktionen gesichtet und festgestellt, dass deutlich mehr kritische Stimmen eingegangen sind als erwartet – angesichts des Umstands, dass es ja für die Einzelnen um eine Einsparung geht. Dazu ist jedoch anzumerken, dass es auch Reaktionen hat, die besagen, es sei doch eher befremdend, wenn der Bundesrat angesichts sinkender Kaufkraft und Jahr für Jahr in die Höhe schiessender Krankenkassenprämien ausgerechnet eine Einsparung von 35 Franken im Jahr als Entlastung der Haushalte verkaufen wolle...
Viele Interessenverbände, besonders aus Sport und Kultur, haben sich gegen eine Senkung gestellt. Sie befürchten, wohl zu Recht, dass diese bei der SRG Einsparungen bewirkt, von denen sie direkt betroffen wären. Insgesamt erhält die SRG einmal mehr breite Unterstützung. Es gibt eine etwas unschöne Ausnahme: Eine Mehrheit der Kantone findet, die Senkung auf 300 Franken wäre machbar. Einige bringen einen Vorbehalt an bezüglich regionale Berichterstattung (was ich etwas peinlich finde – wenn sie wollen, dass die SRG weitermacht wie bisher, sollen sie das auch so sagen!), andere stellen klar, dass der Bundesrat zuerst den Auftrag an die SRG anpassen soll, bevor er ihr allenfalls die Mittel entzieht. Aber auch eine recht starke Minderheit der Kantone lehnt die Senkung ab, vor allem aus Randregionen und der Zentralschweiz.
Ich vermute mal, dass selbst der gewiefte Taktiker Albert Rösti nicht ganz mit dieser Welle von Antworten gerechnet hat. Ob diese seine Haltung beeinflussen wird, zeigt sich in einigen Monaten: Voraussichtlich im Juni kommt der Bericht des Bundesrats zur Halbierungsinitiative, und der Entscheid über die Gebührensenkung dürfte wiederum in diesen Zusammenhang gestellt werden.