Mehr News aus der Region dank weniger News aus der Region?

Es genügt nicht, dass Redaktionen guten Inhalt produzieren. Sie müssen ihn auch an den Mann oder die Frau bringen. Die Konsumentinnen und Konsumenten müssen die Inhalte auch finden. Wie eine Redaktion das am besten macht, diese Frage ist fast so alt wie der Journalismus selbst.

Mit einer neuen Inhaltsstrategie geht SRF seit dem 7. September operativ neue Wege. Sie setzt darauf, die «Herkunft» von Schweizer Nachrichten zu vereinheitlichen. Das, während die Strategie 2024, von der in den Medien zu lesen war, auf die Segmentierung des Publikums reagiert und Inhalte stärker zielgruppenspezifisch auf dem entsprechenden Kanal (bzw. wie es SRF-intern heisst «Vektor») ausspielen will.

Ein Widerspruch? Vielleicht... Augenscheinlichste Veränderung jedenfalls ist: Die Rubrik «Regional» in der «SRF News»-App sowie auf der Website ist weggefallen. Stattdessen werden die Inhalte aus den Regionen «je nach Aktualität und Wichtigkeit auf der ‹SRF News›-App und auf srf.ch/news platziert», wie eine Meldung in eigener Sache am 8. September verspricht (die ganze Meldung gibts hier). Und: Online sind weniger Geschichten zu finden, wobei aber versprochen wird, den Fokus auf «Grossereignisse oder politische Entscheidungen mit Auswirkungen über die Region hinaus» zu legen.

Das erste grosse «Aber» gibt’s jedoch schon in den ersten Tagen nach der Umstellung: Während die App mit Beiträgen zu Abstimmungsvorlagen und Wahlen anderer Kantone geradezu überquillt, findet man nichts zu den Wahlen im Kanton Aargau, obwohl das «Regi» bereits seit 31. August regelmässig über sie berichtet. Das hat durchaus einen Grund, wie bei «Regi AG SO»-Leiter Maurice Velati auf Nachfrage zu erfahren ist: Vorwahlberichterstattung online bringe zu diesem frühen Zeitpunkt, so zeigten Studien zur Online-Nutzung, noch nichts. Eine umfassende Berichterstattung mit zusätzlichen Services sei aber in Vorbereitung und werde demnächst auf der News-App und der Website aufgeschaltet.

Schön und gut. Der Strategiewechsel mag auf Basis von Nutzungsstudien Sinn machen und eine konsequente Umsetzung der Bedürfnisse auf diesen Kanälen entsprechen. Arithmetisch aber bleibt die Feststellung, dass derzeit weniger Berichterstattung aus den Kantonen Aargau und Solothurn in der «SRF News»-App oder auf der Website stattfindet. Andererseits darf man sich getrost fragen, ob die Kreditabstimmung für einen geplanten Verwaltungsneubau im Kanton Thurgau oder die Neugestaltung des St. Galler Marktplatzes für einen Solothurner, eine Aargauerin oder jemanden aus Fribourg wirklich relevant genug sind, um auf nationaler Ebene «ausgespielt» zu werden. Den Stellenausbau eines Online-Anbieters im Aargau oder das seit Jahren umstrittene Umfahrungsprojekt im Solothurnischen sucht man hingegen vergeblich.

Ob der Wechsel tatsächlich «den Stellenwert der regionalen Geschichte erhöht» (Stefan Eiholzer, Leiter der SRF-Regionalredaktionen, in einer Meldung vom 4. September 2020, die ganze gibt’s hier) ist derzeit noch nicht ganz nachvollziehbar. Vielleicht passiert das innerhalb von SRF, denn hier spielen regionale News nun in der gleichen Liga wie die Inlandberichterstattung. Doch der Konsument muss nunmehr mit weniger aus seiner Region auskommen. Und wie oben beschrieben: Es werden viele Themen aufgeführt, die für etliche Konsumentinnen und Konsumenten eher irrelevant sind und dies schmälert den Stellenwert vielleicht sogar. Denn: Wieso sollte ich mir die News in der «SRF News»-App überhaupt noch durchsehen, wenn, wie mir die Erfahrung zeigt, die Chance, einen für mich relevanten Beitrag zu finden, eher gering ist?

Klar, das Angebot ist neu, die Abläufe müssen sich einspielen, die Redaktionen sammeln nach wenigen Tagen erst noch Erfahrungen und es wird etliche Justierungen geben. Man darf also gespannt sein, was da noch kommen wird... Auch seitens Programmkommission der SRG Aargau Solothurn werden wir die neue Ausrichtung aufmerksam mitverfolgen und uns zu gegebener Zeit fragen: Kommen wir zu kurz?

Aktuell bleibt eine Frage: Was bedeutet die Änderung für mich, 44, Solothurner, News-Junkie rund um den Globus? Mein Verhalten bisher: Kam ich nicht zum «Regi»-Hören oder war z.B. in den Ferien, habe ich meine regionalen News täglich unter «Regional» in der «SRF News»-App gefunden. Was muss ich jetzt tun, um kurz und bündig auf dem Laufenden zu bleiben? Maurice Velatis Tipp: «Am besten in der ‹SRF Play›-App oder anderen Podcast-Apps, wo die ‹Regionaljournal›-Sendungen integral nachgehört werden können, nachsehen.» Hier seien die einzelnen Themen einer Sendung aufgeführt – künftig werde das sogar noch etwas detaillierter geschehen.

Text: Fabian Gressly, Präsident der Programmkommission der SRG AG SO