Mediengesetz-Abstimmung vom 13. Februar 2022: Pro und Contra
«Die Verleger bluteten ihre Zeitungen aus»
Am 13. Februar entscheidet das Volk über zusätzliche Subventionen für die Medienbranche.
Alt FDP-Nationalrat Peter Weigelt steht an der Spitze der Gegner.
Interview: Stefan Schmid
Lesen Sie eine Tageszeitung, oder klicken Sie sich durchs Internet?
Peter Weigelt: Vorweg, man kann sich auch bewusst durchs Internet klicken. Persönlich lese ich das «St. Galler Tagblatt» und die NZZ online, während ich von der «Weltwoche» und diversen Fachzeitschriften die Printausgabe abonniert habe.
Die Medien sind unter Druck: Zeitungen werden zusammengelegt, Stellen abgebaut, die digitale Transformation ist eine Herausforderung. Kann man mit Medien noch Geld verdienen?
Die vier grössten Medienhäuser der Schweiz erzielten selbst im Coronajahr einen operativen Gewinn von 270 Millionen Franken. Da kann man wohl kaum von einer Krise sprechen.
Diese Gewinne kommen meist nicht aus dem Zeitungsgeschäft.
Das ist richtig. Deshalb heisst Ihr Unternehmen auch CH Media AG und nicht CH Presse AG. Die klassische Tageszeitung ist unter Druck. Es findet ein technologischer und gesellschaftlicher Strukturwandel statt. Darauf reagierten die grossen Verlagshäuser. Sie fassten Radio, TV, Print und Online zusammen. Und wie die Zahlen beweisen, funktioniert das Geschäft auch unter diesen neuen Voraussetzungen unverändert sehr gut.
Die Werbeeinnahmen, die den Journalismus stark mitfinanziert haben, sind in den letzten fünfzehn Jahren eingebrochen. Und im Netz ist die Zahlungsbereitschaft gering.
TX Group und Ringier verdienen Millionen mit ihren Online-Plattformen wie Ricardo, Homegate oder Scout 24. Der Zusammenschluss dieser Plattformen in eine gemeinsame Firma wird mit gegen 3 Milliarden Franken bewertet. Allein für die Verlegerfamilie Supino/Coninx bedeutete dies im August innert zehn Tagen 500 Millionen steuerfreien Kapitalgewinn. Früher waren die Einnahmen aus Anzeigen, die heute auf diesen Plattformen erscheinen, die Inserate-Erträge der Tageszeitungen. Heute fehlen diese Einnahmen den gedruckten Titeln. Mit anderen Worten, die Verleger bluteten ihre Tageszeitungen gezielt aus. Und nun fordern sie Subventionen für ihre gedruckten Titel. Ein durchsichtiges Manöver.
CH Media, die Herausgeberin dieser Zeitung, besitzt nur wenige Plattformen, mit welchen die Redaktionen quersubventioniert werden könnten.
Genau hier liegt die Chance für CH Media mit den 4 Medienkanälen in 13 Kantonen, an 45 Standorten und mit über 80 Marken. Diese Breite und Vielfältigkeit bietet Möglichkeiten, die sonst keine andere Mediengruppe in der Schweiz hat. Nur, man muss diese Chancen aktiv nutzen und nicht nur Bestehendes optimieren. Der neue Streamingdienst «Oneplus» von CH Media ist dazu ein spannender neuer Ansatz.
Wie sollen kleinere Verlage Journalismus finanzieren?
Die kleinen und mittleren Verlage, zu welchen ich strukturell auch CH Media zähle, sollten sich zusammenschliessen und gemeinsam lokale Online-Plattformen aufbauen. Es gibt viele Inserenten, die auf eine einzelne Region fokussiert sind und nicht auf nationalen oder gar internationalen Plattformen inserieren wollen. CH Media sollte sich vom Katzentisch der grossen Medienkonzerne verabschieden und sich als Leader der kleinen und mittleren Verlage profilieren. Das würde die Schweizer Medienlandschaft mehr bewegen als jede noch so grosszügige staatliche Medienförderung.
Damit lassen sich mittelfristig nicht wie heute 80 Journalistinnen und Journalisten für eine Region wie die Zentral- und Ostschweiz oder die Nordwestschweiz finanzieren.
Es ist zu akzeptieren, dass der Strukturwandel vor unseren Redaktionsstuben nicht haltmacht. Auch die Art und Weise, wie Tageszeitungen produziert werden, muss man überdenken. Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass von Bundesbern keine effektive regionale und lokale Medienförderung kommen kann. Der Geldsegen von ganz oben bleibt immer in den grossen Taschen hängen und erreicht die Kleinen nie. Wenn lokale und regionale Medienförderung angesagt ist, so liegt diese in der Verantwortung der Kantone.
Braucht es überhaupt noch eine «Appenzeller Zeitung» oder eine «Urner Zeitung»?
Das entscheiden die Leserinnen und Leser. Wenn sie die Zeitungen nicht mehr abonnieren, dann müssen diese auch nicht mehr produziert werden. Daran ändert auch das jetzt vorgebrachte Demokratie-Förder-Argument der Befürworter nichts. Denn bereits heute sind nicht einmal 15 Prozent der Bürgerinnen und Bürger bereit, für Medien zu bezahlen.
Das Nein-Komitee behauptet, die Medien geraten durch dieses Paket in Abhängigkeit vom Staat und würden nicht mehr kritisch berichten. Ist das nicht an den Haaren herbeigezogen? Das meiste Geld fliesst ja nur indirekt zu den Medien – via verbilligte Zustelltarife.
Das höchste Gut der Medien ist ihre Glaubwürdigkeit. Diese wird beschädigt, wenn nur schon der Eindruck entsteht, man überlebe nur dank staatlicher Unterstützungsmassnahmen. Dies gilt erst recht, wenn der Löwenanteil der Subventionen in die Taschen der vier grossen Medienkonzerne fliesst. Während der siebenjährigen Laufzeit wären dies über 600 Millionen Franken. Wenn wir Medien fördern wollen, darf man nicht die «Berichterstattung» subventionieren, sondern muss die Leserinnen und Leser unterstützen. Zum Beispiel mit Gutscheinen, mit denen jeder seine «Wunschzeitung» abonnieren kann.
Im Medienpaket ist eine Online-Förderung enthalten, die sich am Markt orientiert. Wer zahlende Kunden hat, profitiert. Das ist doch ein wettbewerbsorientierter Ansatz?
Hier muss ich als ehemaliges Mitglied der Verfassungskommission etwas klarstellen. Das ohne Vernehmlassung ins Paket hineingeschmuggelte Gesetz über die Förderung der Online-Medien ist verfassungswidrig. Dieser offene Verfassungsbruch war für mich die Hauptmotivation für das Ergreifen des Referendums. Zu Ihrer Frage: 83 Prozent der Bevölkerung informieren sich auf Gratis-Plattformen. Zahlschranken haben heute fast ausschliesslich Zeitungsverlage, die ihre Inhalte über das Internet ein zweites Mal verwerten. Das Medienpaket subventioniert damit auch hier die Grossen, auf Kosten des Wettbewerbs und damit von jungen, innovativen Angeboten.
Ohne zahlende Kunden wird es kaum mehr Berichte über kantonale oder lokale Politik, Kultur und Sport geben. Wollen Sie das?
Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass es nicht Sache des Bundes ist, kantonale und lokale Berichterstattung zu finanzieren. Auch in diesem Zusammenhang muss das Subsidiaritätsprinzip gelebt werden. Wenn Handlungsbedarf besteht, dann ist dies Sache der Kantone. Auf Gemeindeebene sehen wir diese «Selbsthilfe» bereits heute vielerorts in Form von beliebten und informativen Gemeindeblättern.
Gemeindeblätter werden oft staatlich finanziert. Die Folge davon ist PR, nicht Journalismus.
Wenn Gemeindeblätter mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, so werden diese Mittel an der Gemeindeversammlung beschlossen. Es ist also der Bürger selbst, der diesen Beschluss fasst und diesen auch jederzeit wieder in Frage stellen kann. Demokratischer geht es nicht. Eine ergänzende Bemerkung sei erlaubt. Bei den Gemeindeblättern setzen Sie «staatlich finanziert» mit PR statt Journalismus gleich. Da stellt sich schon die Frage, weshalb «staatlich finanziert» bei den grossen Medien eine andere Wirkung haben soll.
Nochmals: Ist es egal, wenn in den Kantonen nicht mehr über Politik und Kultur berichtet wird?
Nein, aber dafür braucht es nicht zwingend eine traditionelle, gedruckte Zeitung. Warum Journalismus nur auf gedrucktem Papier stattfinden kann, ist mir schleierhaft. Vor allem auch mit Blick auf die vielen neuen, attraktiven und günstigen Medienformate, deren Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist.
Viele attraktive Medien? Wer macht das denn heute in verlässlicher journalistischer Qualität?
Es gibt in der Schweiz zahlreiche private TV- und Radio-Sender, Fachmedien und Online-Portale, die Qualitätsarbeit leisten. Auch für «Die Ostschweiz» nehmen wir dies in Anspruch. Im Übrigen ist es immer eine Frage des Blickwinkels, wie «verlässliche journalistische Qualität» definiert wird.
Sie haben bei Ihrem Portal «Die Ostschweiz» drei festangestellte Journalisten. Damit kann man keinen journalistischen Service public machen.
Da haben Sie recht. Aber wir haben weder den Auftrag noch die Absicht, einen «medialen Service public» zu erbringen. Unsere Zielsetzung ist es, eine offene Plattform für Fakten, Meinungen und Hintergründe zu sein. Dabei zählen wir auf viele Autorinnen und Autoren, die für uns schreiben und immer wieder neue Perspektiven und Überraschendes einbringen.
Das ist kein Ersatz für eine klassische, regionale Tageszeitung.
Das stimmt. Aber wenn klassische Regionalzeitungen nicht mehr nachgefragt werden, muss man diese auch nicht kopieren. Die Akzeptanz regionaler Online-Plattformen wie zum Beispiel «Hallo Wil» beweist, dass Alternativen möglich und gefragt sind.
Staatspolitisch ist es doch von Bedeutung, dass die Bürgerinnen und Bürger gut informiert sind?
Einverstanden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese Information primär über den Markt bereitgestellt werden muss. Zudem haben wir mit der SRG bereits ein Staatsunternehmen, das schweizweit einen entsprechenden Leistungsauftrag hat. Dazu kommen die mit einem Leistungsauftrag ausgestatteten privaten, aber staatlich finanzierten TV- und Radio-Sender.
Die kleinen Medienanbieter sind oft abhängig von wenigen privaten Millionären wie Konrad Hummler oder Christoph Blocher, welche dafür sorgen, dass politisch genehm berichtet wird.
Es ist sicher anzustreben, dass die Trägerschaft breit abgestützt ist. Die Realität in der Schweiz sieht aber anders aus. Alle grossen Medienhäuser sind im Mehrheitsbesitz von steinreichen Verlegerfamilien. Aber lassen Sie mich noch etwas zur politischen Stossrichtung der Mainstreammedien anfügen. Diese ist klar links und mit Bezug auf den Staat nur noch verlautbarend. Gewisse Meinungen kommen gar nicht mehr vor, werden totgeschwiegen. Die Folge ist ein zunehmendes Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den Konzernmedien.
Das sind Behauptungen. Bringen Sie bitte konkrete Fakten.
Die Coronapandemie zeigt, wie nahe viele Journalistinnen und Journalisten bei Bundesbern sind. Bundesrat Berset wurde zu einem Nationalheiligen hochgeschrieben, während seine unhaltbaren Eskapaden rund um eine aussereheliche Liebschaft kaum eine Zeile wert waren. Wo blieb da die kritische Distanz zum Staat?
Es gibt viele Berichte in zahlreichen Medien, die sich kritisch-distanziert mit dem BAG und Bundesrat Berset auseinandersetzen – auch bei CH Media übrigens.
Ich bin sicher, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr gut selbst beurteilen können, was aktuell abläuft. Viele Medien haben sich von ihrer Aufgabe als vierte Gewalt im Staat verabschiedet. Niemand beisst die Hand, die ihn füttert. Wenn Bundesrat Berset für die Lancierung eines neuen Ringier-Produkts nach Zürich reist, sich lässig mit dem Ringier-CEO ablichten lässt und das neue Produkt bereits bei der Erstausgabe als das «Qualitätsmedium» hochleben lässt, dann stimmt etwas im Staate Schweiz nicht mehr. Kritik von anderen Medien? Fehlanzeige.
Sie setzen auf den Markt. Dann aber bleibt eine umfassende mediale Versorgung künftig den Städten vorbehalten. In Randregionen gehen die Lichter aus.
Das hat mit dem Medienpaket rein gar nichts zu tun, da von den geplanten Subventionen primär die grossen Zürcher Medienkonzerne profitieren. Die Kleinen erhalten, wenn überhaupt, einige Almosen aus dem Topf der Online-Förderung. Dass sich die Kleinen als Alibi missbrauchen lassen, ist für mich unverständlich. Nicht Facebook und auch nicht Google trocknen den regionalen und lokalen Inseratemarkt aus, sondern TX Media und Ringier mit ihren Online-Marktplätzen. Eigentlich müssten gerade die regionalen und lokalen Medien die Parole «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre» auf ihre Fahnen schreiben.
Quelle: Aargauer Zeitung, 9. Dezember 2021
Zum Argumentarium des Komitees «Staatsmedien Nein»
«Medien informieren – und sie schauen den Mächtigen auf die Finger»
Die für Medien zuständige Bundesrätin spricht über die Bedeutung von Lokaljournalisten und darüber, weshalb es wichtig ist, auch unangenehme Fragen zu beantworten.
Auszüge aus einem Interview mit Dario Muffler, Schaffhauser Nachrichten
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Aktuell wird über ein Medienförderungsgesetz diskutiert. Wieso soll die öffentliche Hand Medien fördern?
Sommaruga: Die einheimischen Medien stehen finanziell unter Druck. Die Werbegelder fliessen zu den grossen Internetplattformen ins Ausland ab. Parallel dazu gehen bei den Zeitungen die Einnahmen aus den Aboverkäufen zurück. Ohne Medienvorlage besteht die Gefahr, dass die einheimischen Medien weiter geschwächt werden. Mit der Medienvorlage werden Zeitungen, Privatradios und das Regionalfernsehen gestärkt, damit sich die Bevölkerung weiterhin gut über das Geschehen vor Ort informieren kann.
Wie können Journalistinnen und Journalisten dem Staat kritisch auf die Finger schauen, wenn Sie von ihm bezahlt werden?
Sommaruga: Der Bund vergünstigt die Zustellung von Zeitungen seit Jahrzehnten. Die Zeitungen sind dennoch unabhängig geblieben. Das wird auch mit der Medienvorlage so bleiben. Diese setzt nämlich auf bewährte Instrumente und stellt sicher, dass die Behörden keinen Einfluss nehmen können auf Artikel oder Sendungen. Die Zustellung der «Schaffhauser Nachrichten» wird heute schon vergünstigt. Der Bund gibt der Post Geld dafür, dass diese die «Schaffhauser Nachrichten» vergünstigt zur Leserschaft nach Hause bringt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies in den letzten Jahren Einfluss gehabt hat auf Ihre Berichterstattung.
Hilft das Medienfördergesetz, dass es zu keiner weiteren Konzentration der Zeitungen und Verlage gibt in der Schweiz?
Sommaruga: Ich habe in Schweden gesehen, was die Folgen sind, wenn immer mehr Zeitungen verschwinden: Über ganze Landstriche wird nicht mehr berichtet. Journalistinnen und Journalisten hat es dort nur noch in den grossen Städten. Das will in der Schweiz niemand. Mit der Medienvorlage stärken wir deshalb insbesondere die Berichterstattung aus der Region, denn die kleinen und mittleren Medien erhalten überproportional Unterstützung – dazu gehören auch die «Schaffhauser Nachrichten». So gewährleisten wir, dass die Bevölkerung in allen Sprachregionen auch künftig lesen und hören kann, ob ihre Gemeinde eine Steuererhöhung plant, was bei ihrem Fussballclub hinter den Kulissen läuft und welche Pläne der grösste Arbeitgeber der Gegend hat.
Was passiert, wenn das Medienförderungsgesetz an der Urne scheitert?
Sommaruga: Seit 2003 sind über 70 Zeitungen verschwunden; so etwa die «Ostschweiz am Sonntag». Und allein im Kanton Thurgau fusionierten fünf Titel zu einem Blatt, zur «Thurgauer Zeitung». Ohne dieses Gesetz steigt das Risiko, dass weitere Zeitungen verschwinden und dass Lokalradios und das Regionalfernsehen geschwächt werden.
(...)
Quelle: Schaffhauser Nachrichten, 1. Dezember 2021
Ausbau stärkt laut Sommaruga die Demokratie
Bundesrat und Parlament wollen die kriselnde Medienbranche mit bis zu 151 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich unterstützen. Geschehe dies nicht, werde die Demokratie geschwächt, warnt Medienministerin Simonetta Sommaruga im Vorfeld der Referendumsabstimmung.
In der Sommersession verabschiedete das Parlament verschiedene direkte und indirekte Fördermassnahmen (persoenlich.com berichtete). Weil das Referendum dagegen ergriffen worden ist, hat am 13. Februar 2022 das Stimmvolk das letzte Wort. Medienministerin Simonetta Sommaruga hat am Donnerstag den Abstimmungskampf zum Medienpaket lanciert.
Von der Förderung profitieren sollen Zeitungen, die Mitglieder- und Stiftungspresse, lokale Radio- und TV-Stationen, Onlinemedien, die Medienausbildung sowie Nachrichtenagenturen wie Keystone-SDA. Im Zentrum stehen lokale und regionale Medien.
«Das Paket stärkt die Medienvielfalt in der Schweiz», sagte Sommaruga. Es sorge nämlich dafür, dass auch in Zukunft über alle Regionen des Landes berichtet werde. «Keine Region darf abgehängt werden.»
«Entwicklung ist beunruhigend»
Dank lokaler Zeitungen, Lokalradios, regionalen TV-Sendern und einheimischen Onlinemedien wüssten die Menschen über das Geschehen in ihrer Umgebung Bescheid, gab Sommaruga zu bedenken. Lokalmedien trügen zur politischen Meinungsbildung bei und stärkten den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Doch die einheimischen Medien, gerade die lokalen, sind unter Druck: Sie verlieren Werbeeinnahmen an internationale Plattformen wie Google und Facebook, zudem gehen die Aboeinnahmen zurück. Innert weniger Jahre seien darum über siebzig Zeitungen verschwunden, sagte Sommaruga. «Diese Entwicklung ist beunruhigend.»
Damit nicht noch weitere Titel verschwinden, Radios geschwächt werden und im Internet über einzelne Regionen gar nicht mehr berichtet wird, wollen Bundesrat und Parlament die heutigen Fördermassnahmen zugunsten der Medien ausbauen.
Kleine und Mittelgrosse im Fokus
Zum einen ist da die indirekte Förderung: Die Zustellermässigung, die der Bund abonnierten Zeitungen sowie Vereins- und Verbandszeitschriften heute gewährt, soll von total 50 Millionen auf 120 Millionen Franken aufgestockt werden. Mehr Zeitungen sollen berücksichtigt und neu auch die Frühzustellung unterstützt werden. Die einheimischen Verlage könnten so mehr Geld in die redaktionelle Arbeit investieren, sagte Sommaruga.
Neu ist auch die – direkte – Förderung von Schweizer Onlinemedien – dieser Teil des Pakets war im Parlament sehr umstritten. Für Onlinemedien sollen pro Jahr 30 Millionen Franken zur Verfügung stehen. Der Beitrag an ein Medium darf höchstens 60 Prozent des anrechenbaren Umsatzes betragen.
Die Massnahmen sind laut Bundesrat so ausgestaltet, dass kleinere Unternehmen stärker profitieren können. Damit werde die Berichterstattung in ländlichen Regionen und kleineren Städten gestärkt, hielt Sommaruga dazu fest.
Gegenüber heute erhöht werden die Mittel aus der Radio- und Fernsehabgabe für private Lokalradios und regionale Fernsehstationen. Werden 2021 noch 81 Millionen Franken für sie bereitgestellt, sind es im Medienpaket bis zu rund 109 Millionen Franken, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) schreibt.
Keine Einflussnahme
Bis zu rund 28 Millionen Franken aus den Empfangsgebühren sollen schliesslich für Allgemeines zur Verfügung stehen. Gemeint sind Agenturleistungen, Branchen-Selbstregulierungsorganisationen, Ausbildung sowie IT-Projekte von elektronischen Medien. Zum Vergleich: 2021 sind es 5 Millionen Franken für Agenturen und Ausbildung.
Neue Abgaben fallen wegen der zusätzlichen Förderung nicht an, wie der Bundesrat schreibt. Die bis zu 151 Millionen Franken für die Förderung werden über die Radio- und Fernsehabgabe finanziert sowie aus Mitteln vom Bund. Die Zustellermässigungen sowie die Fördergelder für Onlinemedien sind auf sieben Jahre befristet.
Sommaruga unterstrich in ihrem Votum, dass die Unabhängigkeit der Redaktionen mit der Vorlage gewahrt bleibe. «Die Vorschriften sind so ausgestaltet, dass die Behörden gar nicht Einfluss nehmen können.»
Die Gegner der Vorlage sehen dies anders. Es sei schädlich, private Medien durch staatliche Gelder zu unterstützen. Damit verlören sie ihre Glaubwürdigkeit, kritisieren sie unter anderem. (sda/cbe)
Extra: Leistungsschutzrecht kann Medienpaket nicht ersetzen
Immer mehr Werbeeinnahmen von Schweizer Medien fliessen an Google, Facebook und Co ab. Mit dem sogenannten Leistungsschutzrecht soll künftig auch Geld zurückfliessen. Eine Alternative zum aktuellen Medienpaket sei dies aber nicht, sagt Medienministerin Simonetta Sommaruga.
Sie sei schon lange der Meinung, dass die grossen Internetkonzerne die Leistungen der einheimischen Medien abgelten sollten, sagte Sommaruga am Donnerstag vor den Medien in Bern. Die Konzerne verdienten auch Geld damit, dass sie Textanrisse und Artikel von Zeitungen anzeigten. «Sie verdienen also Geld mit Leistungen, die gar nicht sie erbracht haben, sondern die Redaktionen.»
Künftig sollen deshalb Google und Co. die Leistungen der einheimischen Medien abgelten. «Der Bundesrat wird dazu schon bald einen Richtungsentscheid fällen», sagte Sommaruga. Die Regierung behandle bald ein vom Parlament im Rahmen der Urheberrechtsreform überwiesenes Postulat.
Sommaruga machte aber klar: «Das sogenannte Leistungsschutzrecht ist keine Alternative zum Medienpaket.» Erstens dauere es noch Jahre, bis es wirke. Und zweitens profitierten vom Leitungsschutzrecht nur die grossen Medienhäuser. (sda/cbe)
Quelle: persönlich.com, 2. Dezember 2021
Die grosse Medienschlacht
Am 13. Februar 2022 stimmt die Schweiz über die staatliche Medienförderung ab. Was kann diese für die journalistische Arbeit und die demokratische Debatte bringen? Eine Auslegeordnung vor einem internationalen Horizont.
Von: Kaspar Surber
Éric Zemmour und Roger Köppel verstanden sich ausnehmend gut, als sie sich kürzlich in Genf unterhielten. Der Publizist Zemmour, der in Büchern die rechtsextreme Verschwörungserzählung vom «Bevölkerungsaustausch» verbreitet, will der nächste französische Präsident werden. SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Köppel wiederum hofft als glühender Verehrer Donald Trumps nun auf eine rechte Umwälzung im Nachbarland. Da mussten die beiden natürlich lange über ihre Angst vor dem Islam sprechen. Zemmour im «Weltwoche»-Interview: «Es ist eine Landnahme in Gang. Die Migranten erobern unser Territorium. Von innen. Wer sich nicht anpasst, wird verprügelt.» Zu ihrem Drang, als Publizisten in die Politik zu gehen, meinte Zemmour: «Ich hoffte, ich könnte die Politik durch meine Artikel zum Handeln zwingen. Das ist nicht passiert. Darum musste ich einsteigen. Niemand macht die Arbeit, die existenziell ist, um Frankreich zu retten.»
Zemmour und Köppel inszenierten sich im Gespräch als Männer der Tat, die einsam, tapfer und gegen alle Widerstände für die Werte des Abendlands kämpfen. Bloss: So ist das natürlich nicht. Zemmour ist alles andere als ein einsamer Wolf. Er ist, wie es der frühere französische Präsident François Hollande ausdrückt, vielmehr der «Kandidat eines Medienkonzerns». Genauer: der Vivendi-Gruppe mit dem Fernsehsender Canal+ und der Universal Music Group. Kontrolliert wird diese vom Industriespekulanten Vincent Bolloré, mit einem Vermögen von acht Milliarden Euro einer der reichsten Franzosen. Er verschaffte Zemmour persönlich eine tägliche Talkshow auf dem Sender CNews, wo dieser seine Hasstiraden verbreiten durfte.
Auch Köppels «Weltwoche» ist bekanntlich nicht dessen Eigenleistung. Der rechtslibertäre Financier Tito Tettamanti, im gleichen spekulativen Geschäft wie Bolloré tätig, überliess ihm das Magazin einst zum Freundschaftspreis. Oder wie es der Wirtschaftsanwalt Martin Wagner in der Köppel-Biografie von Daniel Ryser sagte: «Tettamanti und ich, wir haben ihm den Rennwagen gebaut.» Zemmour und Köppel sind Ausdruck einer internationalen Entwicklung, bei der reiche Geldgeber und Mäzene zunehmend an Einfluss auf Medien gewinnen und sich ihre zumeist reaktionäre Agenda mit einem renditegetriebenen Techkapitalismus verbindet. Provokateure wie Zemmour und Köppel bringen Klicks, Aufmerksamkeit bringt Werbung – und Geld.
Wenn in der Schweiz am 13. Februar des kommenden Jahres der Ausbau der Medienförderung zur Abstimmung kommt, dann geschieht dies vor dem Horizont solch globaler Entwicklungen. Die Gefahr besteht allerdings, dass es in der Diskussion über das Gesetz schnell nur noch um Franken und Rappen geht. Um die Frage, wer wie viel profitiert, von der «Engadiner Post» bis zur TX Group. Eine Auslegeordnung beginnt deshalb besser mit den weltweiten Trends.
Alles für die Dividende
Der erste Trend ist wenig überraschend die Digitalisierung. Sie hat die medialen Kanäle Fernsehen, Radio und Print im Netz zusammengeführt – und dabei die Werbung von ihren Trägermedien entkoppelt und den Journalismus seiner wichtigsten Einnahmequelle beraubt. Statt in die Arbeit der Journalist:innen auf den Redaktionen fliesst das Werbegeld zu den US-Techkonzernen: zu Google, Facebook oder Youtube. Und zwar in einem gigantischen Ausmass, wie allein die Zahlen aus der Schweiz zeigen: Der Werbeumsatz der Presse ist von zwei Milliarden Franken im Jahr 2010 auf heute eine Milliarde abgestürzt – mit Spardruck und Stellenabbau auf den Redaktionen als Folge.
Der zweite, meist unterschätzte Trend ist die Neoliberalisierung der Medienorganisationen nach dem Grundsatz des Shareholder-Value. Sie wurden darauf getrimmt, möglichst viel Gewinn abzuwerfen. Mit vielfältigen Konsequenzen: Die nationalen und regionalen Medienmärkte wurden immer stärker monopolisiert. Denn je grösser die Reichweite eines Produkts, umso höher sind seine Einnahmen. Innerhalb der Medienkonzerne selbst kam es zur Abspaltung der rentablen Bereiche. Wenn sie nicht länger der Querfinanzierung des Journalismus dienen, springt eine höhere Dividende für die Aktionär:innen heraus. Die Redaktionen als kleinste Einheit schliesslich wurden unter Spar- und damit unter Zeitdruck gesetzt: Was zählt, ist weniger die Qualität, sondern Content, wie es in der Managementsprache heisst.
In der Schweiz lässt sich diese Entwicklung in neoliberaler Reinkultur am Beispiel der TX Group aufzeigen, die vom früheren Trustexperten Pietro Supino geleitet wird. Erst wurden von Bern über Basel bis Zürich möglichst viele Regionalblätter zu den heutigen Tamedia-Zeitungen fusioniert. Die rentablen Teile wurden in der Firmenholding in separate Bereiche überführt. So können die Gewinne des Gratiswerbeprospekts «20 Minuten» oder der Onlinemarktplätze, auf denen Autos oder Immobilien verkauft werden, optimal abgeschöpft werden.
Die Folge für die Aktionär:innen aus dem Coninx-Familienclan: eine konstant hohe Dividende. Die Folge für die Leser:innen: Trotz noch immer sehr guter Berichterstattung vieler Journalist:innen kommt der «Tages-Anzeiger» gedruckt wie digital oft wie ein Flickwerk daher – zusammengesetzt aus Beiträgen von der «Berner Zeitung» bis zur «Süddeutschen», nach Möglichkeit gerne in sogenannten Listicles verfasst. Nichts lässt sich so schnell schreiben wie diese Frage- und Antworttexte, egal ob zum neuen deutschen Kanzler oder den angesagten Pop-up-Stores im Quartier. Hauptsache Content.
Daraus folgt auch schon die dritte Tendenz: dass sich die ersten beiden Trends, die Digitalisierung und die Neoliberalisierung, verbinden. Bereits 27 Prozent des Publikums in der Schweiz, so heisst es im lesenswerten «Medienperspektivenbericht» der Eidgenössischen Medienkommission (Emek), nutzen Nachrichten nicht mehr gebündelt aus einem Medienprodukt. Insbesondere Jugendliche beziehen Informationen vielmehr zerstückelt aus den sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen. Dort stehen die Nachrichten in Konkurrenz zu Werbebotschaften, die von Unternehmen, Politkampagnen oder auch Influencer:innen verbreitet werden.
«Die Vermischung zwischen werblichen, interessegeleiteten und journalistischen Inhalten wird stärker», folgert die Emek. Die Inhalte im Netz werden für die User:innen nicht mehr nach den Kriterien journalistischer Relevanz ausgespielt, sondern nach dem allmächtigen Algorithmus der Plattformbetreiber: dem kommerziellen Interesse. Im Netz verbreiten sich gute Recherchen zwar schneller als früher. Aber eben auch Werbung und PR-Spins, Propaganda und Desinformation sowie Verschwörungserzählungen, ob im grossen Massstab im US-Wahlkampf oder im schrillen Abstimmungskampf über das Covid-19-Gesetz.
Man muss die bürgerliche Demokratie nicht perfekt finden, um diese Krise der öffentlichen Debatte als gravierendes Problem einzuschätzen. Dazu passt auch der Zugriff auf die Medien in autoritär verfassten Staaten, in Ungarn oder der Türkei, zuletzt sogar durch Exkanzler Sebastian Kurz in Österreich. Solche Zugriffe sind nur möglich, weil die Medien global geschwächt sind.
Nützt das Mediengesetz in der Schweiz wenigstens ein Stück weit gegen diese Entwicklung? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Überblick über die hiesige Medienlandschaft.
Eine feudale Ordnung
Die Situation in der Schweiz lässt sich am besten mit populären Begriffen aus dem Mittelalter beschreiben. Am dominantesten sind zwei grosse Adelsfamilien: der bereits erwähnte Coninx-Clan mit der TX Group sowie Ringier, das sich im Besitz des Ehepaars Michael und Ellen Ringier sowie ihres «Ziehsohns» Marc Walder befindet. Die TX Group wie Ringier erzielen einen Jahresumsatz von je einer Milliarde Franken. Zur TX Group gehören der «Tages-Anzeiger», die «Basler Zeitung», «20 Minuten» und viele Titel mehr. Ringier besitzt den «Blick», Magazine wie die «Schweizer Illustrierte» und Boulevardblätter in Osteuropa.
Die Publizistik hat als Einnahmequelle für die beiden Adelsfamilien aber eine immer geringere Bedeutung. Einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes erzielen TX Group und Ringier mittlerweile im Onlinehandel mit Autos oder mit Immobilien- und Verkaufsportalen. Nach dem alten habsburgischen Grundsatz, wonach man besser heiratet als Krieg führt, haben sie ihre Angebote kürzlich fusioniert: zur Swiss Marketplace Group (SMG). Als Teilhaber mit dabei sind auch die Mobiliar-Versicherung sowie der US-Finanzinvestor General Atlantic. Für 2025 ist der Börsengang der SMG geplant. Die beiden Familien könnten sich dann ganz vereinen.
Zur Kategorie der Regionalfürsten zählen die Publikationen von CH Media, die sich im Besitz von AZ-Verleger Peter Wanner und der NZZ-Gruppe befinden. Der Regionalzeitungsverbund, der aus Titeln im Aargau, der Zentral- und der Ostschweiz besteht, kommt auf die höchste Auflage in der Schweiz. Ausgenommen vom Verbund hat Wanner sein junges Newsportal «Watson». Weiterhin mächtig ist auch die NZZ: Ein Angriff von rechts aussen zur Übernahme der Redaktion ist zwar 2014 gescheitert. Allerdings zum Preis, dass sich die Zeitung unter ihrem Chefredaktor Eric Gujer seither unaufhaltsam in diese Richtung bewegt. Was andernorts Listicles sind, sind bei der NZZ die immer gleichen Laubsägearbeiten über Political Correctness oder den angeblichen Genderwahn: vorfabrizierte Vorurteile, überall einsetzbar.
Zwischen den Schlössern stehen vereinzelte Trutzburgen. Regional- und Lokalzeitungen, die sich der Übernahme verweigern, von der «Südostschweiz» in Chur über den «Boten der Urschweiz» in Schwyz bis zu «La Liberté» in Fribourg. Rechte Raubritter ziehen durchs Land, die sich klangvolle Traditionsmarken wie leer stehende Ruinen erobert haben: neben der «Weltwoche» zuletzt den «Nebelspalter», wobei Verleger Markus Somm trotz Spendenmillionen reicher rechter Mäzene nicht vom Fleck kommen will. Einfluss haben die Titel nicht zuletzt, weil sie ihr Personal regelmässig mit der NZZ und der TX Group tauschen: So wird beispielsweise die «SonntagsZeitung» von einer Seilschaft von Exmitarbeiter:innen der «Weltwoche» dominiert.
Auf der linksliberalen und linken Seite schliesslich stehen zahlreiche Titel, die sich vor allem über ihre Leser:innen finanzieren. Dieses Fähnlein der Unabhängigen halten die WOZ, die «Republik» oder «Le Courrier» hoch, ebenso kleinere lokale Medien wie die «Schaffhauser AZ», «Saiten», «Bajour», «Zentralplus», «Tsüri» oder neuerdings die «Hauptstadt» in Bern. Auch von ihnen kommen einige nicht ohne die Anschubfinanzierung von Mäzen:innen aus. Die Wirkung dieser Titel darf man trotz des grossen Engagements der Journalist:innen nicht überbewerten. Das Fazit der Emek im Medienperspektivenbericht ist durchaus realistisch: «Die neuen digitalen Medienprodukte sind absehbar nicht in der Lage, über Nischen und Teilbereiche hinaus den Wegfall der sprachlich-kulturellen Klammer- und Integrationsfunktion der traditionellen Medien und ihres Journalismus zu übernehmen.»
Schliesslich sind noch, um das Bild abzurunden, Kirche und Papst zu erwähnen: Mit ihren 1,2 Milliarden Franken Gebühreneinnahmen ist die SRG die noch immer grösste Medienorganisation des Landes. Unter dem Druck der No-Billag-Initiative wurde sie im Glauben an die «Idée suisse» allerdings noch gefügiger: keine Diskussionsrunde, bei der im Sinn des eidgenössischen Proporzes nicht auch Extremmeinungen einbezogen werden, Coronaleugner:innen inklusive.
Dass die Westschweiz in dieser Aufzählung kaum vorkommt, hat einen Grund: Dort ist die Monopolisierung noch weiter fortgeschritten, viele Titel sind in TX-Hand.
Doch was bringt denn nun die geplante Medienförderung?
Ein nützliches Paket
Das Gute an diesem Paket ist: Es besteht nicht aus einem grossen Plan, sondern aus vielen konkreten Massnahmen. Das ist allerdings auch eine Schwäche: Nicht alle helfen gegen die oben beschriebenen Entwicklungen, einzelne verstärken sie sogar. Entwickelt hat die praktischen Vorschläge SP-Medienministerin Simonetta Sommaruga, nachdem ihre CVP-Vorgängerin Doris Leuthard mit einem Grossentwurf krachend gescheitert war.
Die erste Massnahme des Pakets ist die Förderung der Basisinfrastruktur der journalistischen Arbeit. Maximal 28 Millionen Franken pro Jahr sollen zur Nachrichtenagentur SDA fliessen, zum Presserat oder in die Weiterbildung von Journalist:innen. Die SDA ist für die Arbeit auf den Redaktionen wichtig, weil sie ein zuverlässiges Grundangebot zur Verfügung stellt, quer durchs Land und durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Der Presserat dient Publikum und Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz und prüft, ob der Berufskodex der Journalist:innen eingehalten wurde. Diese Aufgabe wird im digitalen Zeitalter immer wichtiger, weil jedes persönliche Detail im Netz gespeichert bleibt.
Die zweite Massnahme betrifft die Förderung von Onlineabos. Medien, die mit dem Verkauf digitaler Inhalte Geld verdienen, sollen einen Zuschlag erhalten. Dafür stellt der Bund für alle Titel pro Jahr 30 Millionen Franken zur Verfügung. Dieser Betrag wird nach dem Umsatz der Onlineabos verteilt, und zwar nach einem degressiven Schlüssel: Die kleineren Titel erhalten im Verhältnis also mehr als die grösseren. Entsprechend haben die grossen Konzerne und die rechtsbürgerlichen Politiker:innen diesen Teil im parlamentarischen Prozess massiv bekämpft.
Der erste Teil verstärkt also die journalistische Qualität, der zweite fördert jene Medien finanziell, die auch in Zukunft ihr Geschäft mit Inhalten verdienen wollen, und ermöglicht Neugründungen: Die Massnahmen sind erkennbar ein Beitrag gegen die beschriebene digitale Kommerzialisierung.
Die dritte und letzte Unterstützungsform ist der Ausbau der bestehenden Posttaxenverbilligung. Damit wird der Versand von Zeitungen durch die Post für die Verlagshäuser günstiger. Die Verteilung der Printmedien und Vereinsblätter wird statt mit bisher 50 neu mit 80 Millionen Franken verbilligt, und zwar für alle Titel. Auch hier ist die Unterstützung degressiv ausgestaltet. Zudem wird die separate Frühzustellung von Zeitungen verbilligt, mit 40 Millionen jährlich. Diese wird vor allem von den grossen Konzernen benutzt, weshalb sie auch besonders profitieren.
Der dritte Teil kann verhindern, dass kleine Regionalblätter eingestellt werden. Auch die Titel der Konzerne werden gestützt, letztlich erhält so auch die TX Group eine Prämie für ihre neoliberale Geschäftsstrategie. Kurzum: Das Gesetz unterstützt die Kleinen überproportional, bricht aber längst nicht mit den Monopolen des alten Adels. Es ist ein machtpolitischer Kompromiss.
Missionarische Gegnerschaft
Trotzdem wurde gegen das Gesetz das Referendum ergriffen. Die Absichten dahinter werden deutlich, wenn man sich dessen Absender anschaut: Mit dabei sind im Komitee die St. Galler Peter Weigelt und Konrad Hummler, die seit Jahrzehnten missionarisch für eine rein marktwirtschaftliche Medienordnung und gegen die SRG kämpfen. Früher kauften sie mit der Aktion «Trumpf Buur» Inserateraum für rechte Propaganda, heute ist Weigelt VR-Präsident des bei Coronaleugner:innen beliebten Portals «Die Ostschweiz», Hummler übt die gleiche Funktion beim «Nebelspalter» aus. Bei der Unterschriftensammlung mitgeholfen haben auch die «Freunde der Verfassung», die nach dem gescheiterten Referendum gegen das Covid-19-Gesetz im Kampf gegen einen angeblichen Medienmainstream die nächste Chance wittern. Prominente Unterstützung für ein Nein kam letzte Woche vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Die Organisation übt mit ihren PR-Spins und einer geballten Inseratemacht so viel Einfluss auf die Medien aus wie keine andere politische Akteurin.
«Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre» lautet der Slogan des Komitees. Damit will man speziell bei Linken punkten, denen die Förderung der TX Group ein Dorn im Auge ist. Kennt man die wahren Absichten des Komitees, handelt es sich beim Slogan aber um eine dreiste Umkehrung: Weigelt, Hummler und Konsorten haben sich seit jeher dafür eingesetzt, dass Millionär:innen die öffentliche Meinung mit Geld beeinflussen können. Auch die Warnung des Komitees vor drohenden «Staatsmedien» ist masslos übertrieben. Insgesamt würde die staatliche Medienförderung künftig 178 Millionen Franken pro Jahr betragen. Das ist etwas mehr als ein Zehntel des Betrags, den die SRG erhält. Und etwas mehr als zwei Promille des Bundesbudgets. So viel zu den höchst bescheidenen Dimensionen. Das Gesetz ist zudem auf sieben Jahre befristet.
Selbstverständlich wird man in dieser Versuchsphase genau darauf achten müssen, ob es bei der staatlichen Medienförderung zu Einflussnahmen seitens der Politik kommt. Oder ob die Journalist:innen von sich aus handzahmer werden. Anzunehmen ist aber, dass die Medien paradoxerweise durch die staatliche Förderung besser vor allen möglichen Beeinflussungen geschützt werden: gegen die PR-Einflussnahme durch Behörden, Unternehmen und immer auch durch Economiesuisse. Mehr Geld heisst schliesslich mehr Zeit. Und erst mit genügend Zeit sind unabhängige Recherchen möglich.
In sieben Jahren könnte der Bund zudem die pauschale Förderung auch der grossen Medienkonzerne einstellen und sich bis dahin überlegen, wie die eigentliche journalistische Arbeit noch gezielter gefördert werden kann. All das zusammengezählt, geht es am 13. Februar nicht um den Ausbau der Medienförderung oder den bisherigen Status quo, sondern um die fundamentale Frage, ob der Journalismus und die Demokratie gestärkt werden – oder sich unser Mediensystem noch stärker in Richtung Feudalismus entwickelt, zugunsten der Techkonzerne, der Wirtschaftslobbys und der Superreichen. Die Zemmours und Köppels dieser Welt haben ihre Geldgeber noch immer gefunden
Quelle: Die Wochenzeitung, 9. Dezember 2021