Vier Jahre Medienministerin Sommaruga: eine Bilanz
Das wichtigste Geschäft in ihrer Amtszeit als Medienministerin brachte Simonetta Sommaruga in der Volksabstimmung nicht durch. An die Niederlage mit dem Medienpaket wird man sich auch nach ihrem Rücktritt aus dem Bundesrat erinnern. Insgesamt fällt ihre Bilanz beim Mediendossier durchzogen aus. Auf wichtige Weichenstellungen, die sie selbst mit aufgegleist hat, wird sie keinen Einfluss mehr nehmen können.
Von Nick Lüthy
Den Titel «Medienministerin» haben die Medien erfunden. Im schweizerischen Politiksystem sind die Mitglieder des Bundesrats wenn schon Departementsvorsteherinnen, aber keine Ministerinnen. Im Fall von Simonetta Sommaruga, die Ende Jahr zurücktritt, passte die Bezeichnung «Medienministerin» aber ganz gut. Das Dossier schien ihr zu behagen und sie suchte redlich nach Mitteln und Wegen, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen für ein Nebeneinander von privaten und öffentlichen Medien. Das glückte ihr mal mehr, mal weniger.
Nach ihrem Wechsel vom Justiz- ins Infrastrukturdepartement UVEK auf Anfang 2019 dauerte es nicht lange, bis Simonetta Sommaruga ein Prestigeprojekt ihrer Vorgängerin entsorgte. Doris Leuthard hatte hochtrabende Pläne für eine künftige Medienregulierung und liess ein Bundesgesetz für elektronische Medien entwerfen. In der Vernehmlassung lief sie damit komplett auf. Kaum jemand sah einen Nutzen in diesem potenziellen Bürokratiemonster, das zudem die Presseförderung aussen vor liess.
Sommaruga erkannte diese Mängel und brach die Übung ab. Stattdessen setzte sie auf ein Bündel von Einzelmassnahmen zur finanziellen Unterstützung der Medien. Das ursprünglich ausgewogene Paket erhielt in der parlamentarischen Beratung erhebliche Schlagseite zugunsten der Presseförderung und umfasste am Ende Massnahmen im Umfang von über 150 Millionen Franken jährlich. Dennoch weibelte die Bundesrätin landauf, landab für eine Zustimmung der Bevölkerung zu diesem Medienpaket. Ohne Erfolg. Am 13. Februar 2022 lehnte eine Mehrheit von 55 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten die Vorlage ab.
Das grosse öffentliche Interesse am Medienpaket lenkte den Blick etwas weg von anderen Vorhaben, die Sommaruga in ihrer Amtszeit ebenfalls vorangetrieben hatte.
Auch wenn es «ihre» Niederlage war, schob sie die Verantwortung dafür dem Parlament zu. «Die Vorlage ist aus dem Gleichgewicht geraten», hielt Sommaruga am Abstimmungsabend fest. Mit dem vielen Geld für die Presseförderung sei bei der Bevölkerung zudem der Eindruck entstanden, «dass vor allem auch die grossen Verlage profitieren würden».
Das grosse öffentliche Interesse am Medienpaket lenkte den Blick etwas weg von anderen Vorhaben, die Sommaruga in ihrer Amtszeit ebenfalls vorangetrieben hatte. So etwa eine weitreichende Neugliederung der Privatradiolandschaft. Hier plante die Bundesrätin einen flächendeckenden Service public mit subventionierten Sendern in allen Städten und Regionen der Schweiz zu etablieren. Weiter wollte sie auch die Grenzen der Konzessionsgebiete neu ziehen. Mit diesem Ansinnen scheiterte sie krachend. In der Vernehmlassung liess kaum jemand ein gutes Haar an den Plänen. Der überarbeitete Vorschlag geht nun praktisch in die gegenteilige Richtung: Nicht mehr, sondern weniger Lokalradios sollen künftig einen Service-public-Auftrag für die Berichterstattung aus ihrer Region erfüllen müssen.
Die Haltung von Simonetta Sommaruga gegenüber einer Linksteuer zugunsten der einheimischen Medien war ambivalent.
Während der ursprüngliche Plan für die Neuordnung der Lokalradiolandschaft auch daran scheiterte, dass ihn die Fachleute im UVEK im stillen Kämmerlein ausgeheckt hatten ohne auf die Bedürfnisse der Branche einzugehen, setzte die Medienministerin andernorts stärker auf Partizipation. So lud Sommaruga im Sommer 2021 zu einem «Mediendialog». Vertreterinnen und Vertreter von Printmedien, Radio, Fernsehen und Onlinemedien sollten in diesem Rahmen «Lösungen für die Zukunft» erarbeiten. Den Ton gaben dort die grossen Verlagshäuser an, die auch in diesem Rahmen einmal mehr ihren Wunsch nach einem Leistungsschutzrecht bekräftigten.
Die Haltung von Simonetta Sommaruga gegenüber einer Linksteuer zugunsten der einheimischen Medien war ambivalent. Zwar findet sie im Grundsatz, dass Google und Co. die Leistungen der einheimischen Medien abgelten sollen. Aber sie gibt ebenso zu bedenken, dass nur die grossen Medienhäuser von einem Leistungsschutzrecht profitieren würden. Als Ersatz für das abgelehnte Medienpaket tauge diese Massnahme darum nicht, sagte sie nach der verlorenen Abstimmung. Federführend ist aber nicht das UVEK, sondern das Justizdepartement von Karin Keller-Sutter, das bis Ende Jahr einen ersten Entwurf für ein entsprechendes Gesetz vorlegen will.
Die Amtszeit von Simonetta Sommaruga als Medienministerin prägten im Gegensatz zu jener ihrer Vorgängerin Doris Leuthard stärker die privaten Medien und weniger die SRG. Die Schlacht um «No Billag» war geschlagen, als Sommaruga das UVEK übernahm und die Halbierungsinitiative wirft erst ihre ersten Schatten voraus.
Dass Sommaruga nicht einfach machte, was der SRG zupasskommt, zeigte eine ihrer letzten Amtshandlungen in Sachen Medienpolitik.
Im Sommer 2020 kritisierte die NZZ, dass sich auch die neue Medienministerin offen zeige für die Wünsche der SRG, wie zuvor Doris Leuthard. Zu ihrer Einschätzung kam die Zeitung, nachdem der Bundesrat beschlossen hatte, der SRG 50 Millionen Franken mehr pro Jahr aus der Haushaltsabgabe zukommen zu lassen als Ersatz für wegbrechende Werbung. Dass Sommaruga nicht einfach macht, was der SRG zupasskommt, zeigte eine ihrer letzten Amtshandlungen in Sachen Medienpolitik. Vor ein paar Wochen legte sie die Eckwerte für eine neue Konzession der SRG fest. Diese würden den Spielraum des öffentlichen Rundfunks einschränken, den Auftrag auf Information, Bildung und Kultur konzentrieren und den Textanteil im Online-Angebot der SRG reduzieren.
Sehr deutliche Worte fand Sommaruga zudem, als sie sich unzufrieden damit zeigte, wie die SRG mit den Belästigungsvorwürfen beim Westschweizer Radio und Fernsehen umging. Mit einer scharf formulierten Stellungnahme machte Sommaruga im April 2021 klar, dass sie den Verlautbarungen der SRG nicht traut, wonach nun alles besser werden soll. Fortan musste die SRG dem UVEK rapportieren, was sie genau unternimmt, damit Machtmissbrauch, sexuelle und sexistische Belästigungen oder Mobbing am Arbeitsplatz nicht mehr vorkommen. Sommaruga forderte diesbezüglich nichts weniger als einen «Kulturwandel».
Ihre Gesamtbilanz als Medienministerin fällt durchzogen aus. Meilensteine der Medienpolitik vermochte sie in ihrer Amtszeit keine zu setzen.
Ihre Sorge um die Arbeitsbedingungen von Medienschaffenden zeigte sie auch in ihrem Engagement für einen nationalen Aktionsplan zum Schutz von Journalist:innen, den das Bundesamt für Kommunikation ausgearbeitet hat. «Angriffe auf Medienschaffende und die Straflosigkeit bei solchen Verbrechen sind als Angriffe auf die Demokratie selbst zu betrachten», sagte Sommaruga an einer Ministerkonferenz des Europarats im Sommer 2021.
Auch wenn das Mediendossier nur eines von vielen war, das Sommaruga als UVEK-Vorsteherin in den vergangenen vier Jahren betreute, schien ihr die Materie am Herzen zu liegen und sie agierte entsprechend umsichtig. Dennoch fällt ihre Gesamtbilanz als Medienministerin durchzogen aus. Meilensteine der Medienpolitik vermochte sie in ihrer Amtszeit keine zu setzen. Auch bleiben wichtige Baustellen bestehen, die sie aufgrund des überraschenden Rücktritts nun ihrem Nachfolger überlassen muss.
Quelle: medienwoche.ch, 04.11.2022
Was von Albert Rösti als «Medienminister» zu erwarten ist
Als UVEK-Vorsteher wird Albert Rösti im Mediendossier einen weniger SRG- und subventionsfreundlichen Kurs fahren als seine Vorgängerin Simonetta Sommaruga. Rösti machte im Nationalrat und als SVP-Präsident mehrfach klar, dass er der SRG die Mittel zusammenstreichen will. Gleichwohl setzte er sich prominent für den Erhalt des Radiostudios Bern ein.
Von Nick Lüthi
Längst haben sich die Wogen geglättet. Doch vor vier Jahren gingen die Wellen hoch. Damals zog die SRG den Unmut breiter Kreise auf sich, nachdem sie ihre Standorte stärker konzentrieren wollte. Unter anderem sollte Bern sein Radiostudio verlieren. SRF wollte seine Aktivitäten massgeblich in Zürich konzentrieren. Neben den betroffenen SRG-Angestellten meldeten sich auch Politikerinnen von links bis rechts mit Protest gegen die Pläne. Einer von ihnen war der damalige SVP-Präsident und nun zum Bundesrat gewählte Albert Rösti.
Wie stark damals die Umzugspläne der SRG für das Berner Radiostudio die Gemüter und auch den Berner Politiker Rösti bewegte, zeigt eine Episode, die der «Tages-Anzeiger» Ende August 2018 kolportierte. Unter den Lauben der Bundesstadt kreuzten sich per Zufall die Wege von SRG-Generaldirektor Gilles Marchand und Albert Rösti, der mit Alt-Bundesrat und Parteifreund Adolf Ogi unterwegs war. «Marchand wollte die beiden SVP-Grössen eigentlich nur freundlich grüssen. Doch Ogi und Rösti nahmen ihn umgehend in die Zange», schrieb der «Tagi». «Mehrere Minuten redeten sie auf Marchand ein, Ogi ziemlich energisch gestikulierend. Sie zählten ihm die Denkfehler auf beim Plan, das SRG-Radiostudio Bern an den Leutschenbach in Zürich zu zügeln.»
Röstis Einsatz für den Erhalt des Studios in Bern änderte indes nichts an seiner kritischen Grundhaltung gegenüber der SRG.
Im Nationalrat setzte sich Albert Rösti zusammen mit Kolleginnen und -kollegen aus allen grossen Parteien (ausser der FDP) für eine dezentrale Programmproduktion der SRG und den Weiterbetrieb eines Radiostudios in der Bundesstadt ein. Der von SRF getroffene Kompromiss mit einem Teilumzug nach Zürich nahm dem Protest gegen die ursprünglichen Pläne dann den Wind aus den Segeln.
Röstis Einsatz für den Erhalt des Studios in Bern änderte indes nichts an seiner kritischen Grundhaltung gegenüber der SRG, mit der er ganz auf der Parteilinie der SVP liegt. So hatte er im Nationalrat der «No Billag»-Initiative zugestimmt, die eine Abschaffung der Gebührenfinanzierung forderte – allerdings nur aus Protest, wie er damals der Aargauer Zeitung sagte. Aufgrund der Sprachenvielfalt in der Schweiz brauche es die SRG.
Nachdem eine klare Mehrheit der Stimmberechtigten die «No Billag»-Initiative verworfen hatte, sah Albert Rösti zwar weiterhin Reformbedarf bei der SRG, hielt aber Einschnitte in die Finanzierung nicht für angezeigt. «Die Halbierungsinitiative ist im Moment nicht auf dem Tisch», sagte der SVP-Parteipräsident nach verlorener Abstimmung. Er begründete dies auch damit, dass die SRG-Spitze bereits Reformen angekündigt habe, «die in die richtige Richtung gehen». Teil dieser Reformen war die Konzentration der Studiostandorte – die Rösti später selbst bekämpfen sollte. Eine konsistente Haltung sieht anders aus, Rösti bewegte sich hier auf einem Zickzack-Kurs.
Nimmt man seine bisherigen Aktivitäten und Äusserungen zum Massstab, wird er sich für eine zwar schlankere, aber in der Bevölkerung gut verankerte SRG einsetzen.
Als die SVP bei den Wahlen im Kanton Zürich im Frühling 2019 schlecht abgeschnitten hatte, machte Rösti die Berichterstattung der SRG dafür mitverantwortlich. Das «Staatsfernsehens» habe «aus dem Klimastreik eine nie da gewesene Propagandaschlacht gemacht», lamentierte der Politiker im «Tages-Anzeiger». Darum brauche es eine Initiative zur Halbierung der Rundfunkgebühren, «um die SRG auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen». Es war nicht das erste Mal, dass er damit drohte. Auch nach dem Entscheid von SRF, Teile des Radiostudios Bern nach Zürich zu verlegen, brachte Rösti eine Gebührenhalbierung ins Spiel. Die SRG habe mit Bern jene Region bestraft, die bei der «No Billag»-Initiative am treusten hinter ihr gestanden sei. «Die SRG braucht offensichtlich eine Halbierungsinitiative», sagte Rösti damals der Berner Zeitung.
Als Bundesrat und UVEK-Vorsteher trägt Rösti nun eine andere Verantwortung und kann gestaltend auf die Weiterentwicklung des öffentlichen Rundfunks einwirken. Nimmt man seine bisherigen Aktivitäten und Äusserungen zum Massstab, wird er sich für eine zwar schlankere, aber in der Bevölkerung gut verankerte SRG einsetzen. Nach der deutlichen Ablehnung der «No Billag»-Initiative, auch mit Stimmen aus der SVP-Wählerschaft, sagte Rösti gegenüber der MEDIENWOCHE, er erkenne an der Basis der SVP einen starken Wunsch nach einer Stärkung des lokalen und regionalen Angebots der SRG. Auf diesem föderalistischen Gedanken basierte auch sein Engagement für den Erhalt eines starken Studiostandorts in Bern.
Welche Akzente Rösti als UVEK-Vorsteher bei der Medienförderung setzen will, neben dem Service public das zweite grosse Feld der Medienpolitik, zeigt der Blick in die Vergangenheit etwas weniger deutlich. Das Anfang 2022 in der Volksabstimmung gescheiterte Medienpaket lehnte er als Nationalrat ab. 2016 stellte er als SVP-Präsident ein Positionspapier seiner Partei zur Medienpolitik vor. Die darin enthaltenen radikalen Forderungen kann man aber kaum zum Nennwert seiner künftigen Linie als «Medienminister» nehmen. Kurz zusammengefasst plädierte die SVP damals für eine Abkehr von jeglicher Medienförderung mit öffentlichen Mitteln.
Rösti wird keine Wunder vollbringen und aufgrund der Grossbaustellen in den übrigen Dossiers der Medienpolitik auch nicht die grösste Aufmerksamkeit zukommen lassen.
In den vergangenen sechs Jahren reifte in breiten Kreisen die Einsicht, dass eine vielfältige Medienlandschaft – auch ausserhalb der Städte und Agglomerationen – nicht ohne irgendeine Form öffentlicher Unterstützung auskommt. Bei der erwartbaren Neuauflage einer Gesetzesvorlage zur Medienförderung kann Rösti aus den Fehlern seiner Vorgängerinnen lernen. Doris Leuthard scheiterte bereits in der Vernehmlassung grandios mit ihren Plänen für ein Bundesgesetz über elektronische Medien, das die Presse weitgehend ausgeklammert hatte. Simonetta Sommaruga wiederum lief mit ihrem Medienpaket in der Volksabstimmung auf. Die Verantwortung für dieses Scheitern muss aber vor allem das Parlament auf sich nehmen, das die Fördermittel zugunsten der Grossverlage massiv aufgestockt hatte.
Rösti wird keine Wunder vollbringen und aufgrund der Grossbaustellen in den übrigen Dossiers des Uvek (Stichwort Klima) der Medienpolitik auch nicht die grösste Aufmerksamkeit zukommen lassen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass er frühzeitig signalisiert, in welche Richtung es mit ihm gehen soll, damit sowohl Politik wie auch Medien wissen, womit sie mit «Medienminister» Rösti zu rechnen haben.
Quelle: medienwoche.ch, 09.12.2022