Diskussion um «Fake News»: Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut
Ob Journalismus im Print, Radio oder Online: Glaubwürdigkeit ist überall das höchste Gut und darf deshalb nicht aufs Spiel gesetzt werden. Handlungsbedarf sehen drei führende Journalistinnen und Journalisten vor allem bei der klaren Angabe der Herkunft der Informationen. Dies ist das Resultat eines Diskussionsabends in Lenzburg, durchgeführt als Koproduktion der SRG Aargau Solothurn mit dem Stapferhaus.
Umfragen zeigen, dass Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz nicht allzu viel Vertrauen geniessen, dass die Befragten aber von ihnen hohe Vertrauenswürdigkeit erwarten. Damit konfrontierte Diskussionsleiterin Sonja Enz, Projektleiterin Recherche und Konzeption beim Stapferhaus, ihre Gäste auf dem Podium: Doris Kleck, Co-Leiterin der Inlandredaktion bei CH Media, Michael Bolliger, stellvertretender Chefredaktor von Radio SRF, und Maurice Thiriet, Chefredaktor des Onlineportals Watson. Die drei Fachleute hielten aber dagegen: «Ich verstehe das eher als Auftrag, noch deutlicher zu erklären, was wir eigentlich machen», betonte Doris Kleck. Obwohl die Trennung zwischen Information und Einschätzung deutlich gemacht werde, würden Leserinnen und Leser häufig keinen Unterschied sehen. Sie ergänzte, dass die Diskussion um sogenannte Fake News dazu beigetragen habe, dass der Journalismus und die Zeitungen besser geworden seien, da noch sorgfältiger gearbeitet werde als früher.
Auch Michael Bolliger fand, der Ruf des Berufsstands sei nicht der entscheidende Punkt, so lange es gelinge, mit den journalistischen Produkten das Publikum zu erreichen und zur Meinungsbildung und Demokratie beizutragen. Auch Maurice Thiriet fand, bewusste Propaganda sei als solche wohl gut zu erkennen. Schwieriger sei es mit PR-Artikeln, bei denen für die Leserinnen und Leser die Herkunft kaum zu erkennen sei.
Quellen angeben
Die drei Gäste waren sich einig darin, dass seit der Diskussion um richtig oder falsch eines klar an Gewicht gewonnen hat: «Wir müssen immer klar aufzeigen, woher wir unsere Informationen haben», betonte Michael Bolliger. «Es genügt nicht, dass wir uns hinter irgendeiner Agentur verstecken.» Auch die beiden andern erachten diesen Punkt als zentral: «Wenn man im Bundeshaus ein vertrauliches Papier zugespielt erhält, muss man wissen, dass jemand eine Absicht dahinter hat, der man mit der Publikation in die Hand spielt», erläuterte Doris Kleck.
Bei Watson habe er den Begriff «Fake News» verboten, ergänzte Maurice Thiriet. Einerseits bedeute das Wort News zwangsläufig, dass es sich um seriöse Information handle, andererseits gehe es ja nicht um Falschinformationen, sondern um Propaganda. «Hinzu kommt das bewusste Schlechtmachen der professionellen Medien: Damit hat der amerikanische Präsident mit dem Tag seiner Amtseinsetzung begonnen, und er hat Nachahmer in vielen anderen Staaten gefunden», hielt Thiriet fest.
«Faktencheck ist eine klassische Aufgabe der Journalistinnen und Journalisten», stellte Bolliger klar. «Aber ebenso wichtig ist heute das Erkennen von Lobbying.» Es gelte klarzumachen, weshalb Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser, den Medien glauben sollen. «Heute genügt es nicht mehr einfach, dass eine Information bei uns verbreitet wird, damit sie als wahr gilt, wir müssen immer transparent sein.»
Ein Baum ist ein Baum
Gesprächsleiterin Sonja Enz erinnerte an den Fall des deutschen Journalisten Claas Relotius, der unter anderem im «Spiegel» mehrfach frei erfundene Artikel unterbringen konnte. In einer Diskussion wurden vor einigen Jahren Relotius und ein weiterer Journalist gefragt, ob es zulässig sei, bei der Beschreibung der Umgebung eines Ereignisses einen Baum hinzuzuerfinden, weil es gut ins Bild passe. Während der eine Journalist dies strikt ablehnte, fand Relotius einen erfunden Baum völlig harmlos. Auch auf der Bühne des Stapferhauses waren sich die drei Fachleute nicht einig: Während Kleck und Bolliger fanden, Journalisten dürften nur schreiben, was sie wirklich gesehen und gehört haben, fand Thiriet, die Wiedergabe von Tatsachen, die stimmten, aber nur aus dritter Hand stammten, sei zulässig. Doris Kleck widersprach: «Kreativität ist in unserem Beruf eine zwingende Voraussetzung, aber Fantasie hat keinen Platz.» Doch Thiriet wollte das so nicht stehen lassen: «Seit im ‹Spiegel› alles dieser Regel entspricht, sind die Artikel stinklangweilig geworden!»
Generationenwandel
Bolliger und Kleck betonten, dass sie gegenüber Thiriet in einer andern Ausgangslage sind, was den Zugang zum Publikum betrifft: «Wir müssen jetzt und noch lange das lineare Publikum bedienen, wogegen Watson sich vollständig auf die digitale Welt beschränken kann.» Thiriet konterte, dass für sie genau die gleichen Ansprüche an hoch stehenden, glaubwürdigen Journalismus gelten. Man dürfe aber auch dem Publikum zutrauen, dass es wisse, was es in einem bestimmten Medium erwarte: «Niemand liest die ‹Glückspost› in der Meinung, alles stimme, was darin steht, sondern weil es guten Gesprächsstoff liefert.» Weiter wies er darauf hin, dass heute ein 14-jähriger noch nie eine Zeitung in der Hand gehalten und wohl auch nie Radio gehört habe. «Der Anspruch ist, für diese Menschen, die nur den mobilen Medienkonsum kennen, glaubwürdige und echte Information in ein Format zu bringen, das sie überhaupt empfangen und auch verstehen.»
Die gegen 50 Besucherinnen und Besucher konnten anschliessend das Thema gruppenweise vertiefen, wahlweise mit der Zeitungsredaktorin, dem Radiomann oder dem Onlinespezialisten. In allen drei Gruppen stand die Frage der Glaubwürdigkeit im Mittelpunkt der Diskussion, wie ein kurzes Fazit zum Abschluss des Anlasses zeigte.
Der Medienwegweiser war vor dem kulturellen Shutdown bei der Podiums-Diskussion der SRG AG-SO und dem Stapferhaus Lenzburg. Dank idealem Live-Ton kann der Medienwegweiser und Kanal K die Podiumsdiskussion zum Thema «Fake News» im Wortlaut ausstrahlen: