Ein grosser Schritt, der Schritt ins Bundeshaus
Beim «Gespräch im Stall» der SRG Aargau Solothurn schilderten die drei neu gewählten Aargauer Mitglieder des Nationalrats ihre ersten Eindrücke im Bundeshaus und wie sich ihr Leben seither verändert hat.
Maya Bally, Mitte, Simona Brizzi, SP, und Christoph Riner, SVP, sind im letzten Oktober neu für den Aargau in den Nationalrat gewählt worden. Sie waren die Gäste beim zweiten «Gespräch im Stall» der SRG Aargau Solothurn. Gesprächsleiter Stefan Ulrich, Redaktor beim Regionaljournal Aargau Solothurn von Radio SRF, verstand es, ihnen Persönliches und Politisches zu entlocken und damit ein rundes Bild der fünf Monate seit der Wahl zu zeichnen.
Alle drei waren sich einig: Es ist ein eindrückliches Erlebnis, erstmals als gewähltes Mitglied den Nationalratssaal zu betreten. Ebenso übereinstimmend berichteten sie, dass die Wahl ein grosser Einschnitt in ihr Leben war, obwohl alle drei zuvor schon im Aargauer Grossen Rat aktiv waren. Simona Brizzi, Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Zürich, reduzierte ihr Pensum von 70 auf 40 Prozent und muss sich zudem während den Sessionen in Vorlesungen und Seminaren vertreten lassen. Christoph Riner, der bei der Gemeinde Thalheim arbeitet, konnte sein Pensum und sein Aufgabengebiet beschränken – «wäre das nicht gegangen, hätte ich mir etwas anderes gesucht, denn ich will nicht Berufspolitiker sein». Anders hat Maya Bally entschieden, die mit 63 Jahren auch in einer anderen Situation ist. Sie war in den letzten Jahren als selbständige Projektleiterin tätig und beschränkt sich jetzt auf die noch laufenden Aufträge: «Ich akquiriere nichts Neues mehr.»
Als Einzige hat sich Bally auch bereits fix für ein Hotel in Bern entschieden, in dem sie vorerst bis Ende Jahr jeweils während den Sessionen übernachtet. Riner bucht sein Zimmer Fall für Fall; wenn der politische Tag früh fertig ist, geht er auch gerne nach Hause. Eine besondere Lösung hat Brizzi gefunden: Sie ist in das bisherige Gästezimmer einer Wohngemeinschaft in der Nähe von Bahnhof und Bundeshaus gezogen – zu vier Personen, die nicht politisch tätig sind. «Ich habe fürs Duschen ein Zeitfenster von 6 Uhr 20 bis 6 Uhr 35; wenn ich bereits um 7 im Bundeshaus sein muss, dusche ich vor 6 Uhr, denn danach sind die anderen dran.»
Der Einstieg sei ihnen leicht gemacht worden, halten alle drei fest. In der ersten Sessionswoche waren die neu Gewählten zu einem Apéro mit dem Gesamtbundesrat eingeladen. Seither sind sie mit der gesamten Landesregierung per du. Sie zeigen sich insgesamt überrascht von der familiären Atmosphäre, die im Bundeshaus herrscht. Allerdings ist auch immer viel Betrieb: Nicht nur erhalten sie für jeden Sessionstag mindestens 20 Einladungen zu Mittag- und Abendessen, die meisten von Interessenorganisationen, die ihre Anliegen platzieren wollen, sondern sie finden im ganzen Haus auch kaum einen ruhigen Arbeitsplatz; überall hat es Leute, und die meisten sind in irgendwelche Diskussionen vertieft. Nur an einem Ort sei es möglich, einigermassen für sich zu sein und in Ruhe zu arbeiten: Zuoberst unter dem Dach, in einem fensterlosen Raum, der wegen seiner Form den Namen «Banane» trägt. Die Plätze dort sind knapp und begehrt...
Im letzten Teil des Gesprächs fragte Stefan Ulrich die drei nach ihren Erfahrungen mit den Medien. Das Urteil war insgesamt positiv. Vom Parlamentsdienst erhalten sie täglich Hinweise auf Artikel zu ihren wichtigsten Themen, insbesondere auf jene, in denen sie selbst genannt sind. Die öffentliche Beachtung sei gross, hielten sie fest; sie erhalten täglich Dutzende Mails von interessierten Personen, teils Bekannte, teils Unbekannte. Bally und Brizzi erhielten bis jetzt fast nur positive Nachrichten, nur bei Riner gingen einzelne Beschimpfungen und Angriffe ein.
Angesprochen auf die Abbaupläne von Bundesrat Albert Rösti bei der SRG sprach sich nur Riner für eine Kürzung aus, beurteilte die SRF-Programme aber als «insgesamt in Ordnung». Bally und Brizzi betonten die Bedeutung des Service public für die demokratische Gesellschaft, wobei Bally noch besonders darauf hinwies, dass vor einem Entscheid über die Finanzen zuerst der Programm-Auftrag des Bundes an die SRG geklärt werden müsse.