Schutzbunker

Wenn eine Geschichte zu zwei weiteren führt

Zuhören und nachfragen – dass dies mitunter das Wichtigste im Journalismus ist, hat sich letztes Jahr beim Ausbruch des Ukraine-Krieges einmal mehr gezeigt.

TV-Korrespondent Bähram Alagheband realisierte Anfang März in der Sendung «Schweiz aktuell» eine Geschichte über Zivilschutzorganisationen, welche sich plötzlich mit vielen Fragen und Sorgen der Bevölkerung bezüglich Schutzräumen und Bunkern konfrontiert sahen. Einer der Protagonisten erzählte Bähram im Anschluss, dass der Solothurner Zivilschutz eine Hilfsgüterlieferung in die Ukraine vorbereite, mit Decken und anderem Zivilschutzmaterial. Bähram hakte nach, erfuhr Einzelheiten und daraus entstand zwei Tage später erneut eine «Schweiz aktuell»-Geschichte von TV-Korrespondentin Wilma Hahn.

Damit aber noch nicht genug: Bei den Dreharbeiten für die zweite Geschichte stiess Wilma auf eine dritte, noch viel grössere Geschichte. Der Solothurner Zivilschutz koordinierte zu diesem Zeitpunkt nämlich nicht nur die Hilfsgüterlieferung in die Ukraine, sondern half auch bei den Vorbereitungen für die Ankunft einer grossen Zahl von Flüchtlingskindern in der Gemeinde Mümliswil-Ramiswil. Wilma fragte bei diversen Stellen so lange nach, bis sich folgende Geschichte herauskristallisierte: Der Solothurner Millionär Guido Fluri werde in den nächsten Tagen ein Flugzeug chartern und 140 Flüchtlinge – die meisten davon Kinder, teilweise krank oder beeinträchtigt – via Polen aus dem Kriegsgebiet evakuieren. In der Schweiz angekommen, sollen sie im ehemaligen Kinderheim, das Fluris Stiftung gehört, untergebracht werden. Wilma wurde von der Stiftung angeboten, im Flugzeug mitzufliegen und für SRF über die Rettungsaktion zu berichten.

Hilfsgüter

Einige Tage später war es so weit: Wilma und Kameramann Tony Kurz begleiteten am Vormittag die letzten Vorbereitungen im Kinderheim, am Nachmittag flog Wilma zusammen mit Guido Fluri und seinem Team in einer leeren Maschine der Edelweiss Air nach Krakau. Mit an Bord war auch eine Kollegin von «Watson», welche praktisch in letzter Minute Wind vom Evakuierungsflug bekommen hatte.

In Krakau nahm die Gruppe am Gate die Flüchtlingskinder in Empfang und flog am Abend zurück in die Schweiz. Noch in der Nacht ging die Reise mit Cars weiter ins Kinderheim Mümliswil, wo auf die Geflüchteten sowohl warmes Essen als auch ein warmes Bett warteten. Am nächsten Morgen durften Wilma und Tony das Aufwachen der Flüchtlinge in der sicheren Schweiz begleiten. Danach ging es zurück nach Aarau an den Schnittplatz. Denn die Zeit drängte, sollte der Beitrag doch am selben Abend in der Sondersendung «Die Schweiz hilft» auf SRF1 ausgestrahlt werden.

Das Filmmaterial aus Krakau und Mümliswil diente weiter für Beiträge in der «Tagesschau» und abermals in «Schweiz aktuell». Die Kolleg:innen der Videoredaktion produzierten daraus Inhalte für die Social-Media-Kanäle von SRF. Dank der engen Zusammenarbeit zwischen den TV-Korrespondent:innen und dem Regionaljournal entstanden zudem mehrere Radiobeiträge.

Zuhören und nachfragen – dieser Grundsatz hat hier aus einer Geschichte zwei weitere hervorgebracht. Wir Journalistinnen und Journalisten tun gut daran, uns im stressigen Alltag weiterhin Zeit zu nehmen für unsere Protagonistinnen und Protagonisten. Sie sind oftmals die Quelle für weitere gute Geschichten.

Guido Fluri in Krakau

Text: Wilma Hahn, TV-Korrespondentin Aargau Solothurn

Bild: SRF