Regionaljournal Investigativ – oder: Was im Alltag dann doch alles möglich ist

Am Stammtisch, auf Social Media oder in Kommentarspalten: Immer wieder liest man die Forderung, dass «die Medien» kritischer sein müssten. Das ist zwar nicht so einfach, wie es am Stammtisch klingt. Aber es gelingt durchaus, auch im Jahr 2022.

Mit der Redaktion SRF Investigativ hat unser Haus die Recherche gestärkt. Ein kleines Team deckt Unregelmässigkeiten oder Skandale auf. Dieses Team arbeitet mit zum Teil spezialisierten Methoden, aber auch mit viel Zeit – einige Recherchen dauern Wochen oder Monate.

Diese Möglichkeiten haben wir als tagesaktuell arbeitende Redaktion in den Regionalstudios Aarau und Solothurn weniger. Aber auch wir pflegen kritischen Journalismus, wie ich anhand konkreter Beispiele aus dem Berichtsjahr aufzeigen kann.

Konstruktive Kritik
Inzwischen ist das «Notkraftwerk» in Birr in aller Munde. Provisorisch montierte Gasturbinen der Firma GE sollen eine mögliche Stromlücke verkleinern. Die Diskussion um solche Reservekraftwerke ging aber bereits Anfang 2022 los. Unsere Redaktion hat damals bekannt gemacht, dass die Firma Ansaldo – ebenfalls in Birr - einen Beitrag zur nationalen Stromversorgung leisten könnte.

Während die Behörden noch zuwarteten, hat unser Reporter Kontakt mit Ansaldo aufgenommen und die Bestätigung erhalten, dass die Firma durchaus bereit wäre, zur Milderung einer Strommangellage beizutragen. Das ist konstruktiver Journalismus im besten Sinne: Wir zeigen mögliche Lösungen auf und setzen damit Regierung und Verwaltung unter Druck, diese zu prüfen.

Selbstverständlich finden wir nicht immer gleich eine Lösung. Dann können wir zumindest auf Probleme hinweisen, die bisher von den zuständigen Behörden zu wenig wahrgenommen wurden. Wie im Fall der Hochbrücke in Baden. Hier wurden vor Jahren zwar optische Massnahmen getroffen, um die Zahl der Suizide zu verringern. Doch sie scheinen kaum mehr wirksam. Immer wieder stürzen sich Menschen von dieser Brücke. Nach unserer Berichterstattung prüft die Stadt nun weitere bauliche Massnahmen.

Zeigefinger in alle Richtungen
Oft wird den Journalistinnen und Journalisten vorgeworfen, sie seien zu parteiisch. Gerade im bevorstehenden Wahljahr 2023 gelten deshalb für die Berichterstattung unserer Redaktion strenge Richtlinien. Ja, wir führen Statistik und zählen, wie viele Sendeminuten jede Partei erhält, um Fairness zu garantieren.

Ich persönlich werde immer wieder mit dem Vorwurf der «Linkslastigkeit» konfrontiert. Dazu passt wohl kaum, dass sich die Aargauer SP ausgerechnet bei SRF dafür rechtfertigen musste, dass sie bei erster Gelegenheit eine Ausnahmeregelung für die Amtszeitbeschränkung aktivierte. Diese Geschichte hat vermutlich allen anderen Parteien besser gefallen als den Sozialdemokraten selbst.

Konkurrenz belebt das Geschäft
Die Regierung, mächtige Firmen oder einflussreiche Politikerinnen zu kritisieren, das ist die Raison d’Être von Journalistinnen und Journalisten als sogenannter vierter Gewalt im Staat. Natürlich aber gibt es auch eine ganz profane Motivation für gute Arbeit. Man möchte sich gegenüber Kolleginnen und Kollegen beweisen. Wer einen «Primeur» hat – eine Geschichte , die man als Erste oder Erster recherchiert und publiziert –, sichert sich häufig auch ein indirektes Lob der Konkurrenz, indem die Story dort «nacherzählt» beziehungsweise zitiert wird.

Auch dies gelingt unserer Redaktion immer wieder, wie die folgende (unvollständige) Auswahl aus dem Berichtsjahr zeigt: Wir vermeldeten, dass sich eine Solothurner Energiefirma gegen Steuerzahlungen an den Kanton wehrt. Wir wussten vor allen anderen, dass das Casino-Projekt in der Stadt Solothurn «gestorben» ist. Und wir teilten der Schweiz mit, dass eine Aargauer Pharmafirma Probleme mit den Behörden hat und aufgrund dieser Sachlage Methadon für Drogenprogramme knapp wird.

Ich bin stolz auf mein Team, dass es immer wieder exklusive Inhalte publiziert. Gerade weil wir im Vergleich zu den Redaktionen des grossen privaten Medienunternehmens in den Kantonen Aargau und Solothurn personell eher bescheiden dastehen. Bei uns recherchieren pro Tag drei Reporterinnen und Reporter an Geschichten, ein Team von insgesamt maximal sechs Personen produziert täglich eine knappe Stunde Info-Radioprogramm und zusätzlich noch Artikel für die SRF News App.

Wir recherchieren gerne weiter
Dieser Beitrag klingt möglicherweise nach Selbstbeweihräucherung und Eigenlob. Dabei soll er aber nur Ausdruck eines durchaus bescheidenen Wunsches sein: Wir möchten unsere Arbeit auch weiterhin machen, denn wir machen sie mit Leidenschaft.

Wir möchten weiterhin als tagesaktuelle News-Redaktion – manchmal durchaus mit einem investigativen Anspruch – die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in unserer Region kritisch begleiten. Als Ergänzung zur wertvollen Arbeit der privaten Medienhäuser, als Beitrag zu einer minimalen Medienvielfalt im Mittelland.

Die Politik entscheidet darüber, wie sich die SRG künftig entwickeln soll und kann. Dabei geht es auch um die Regionalredaktionen. Die Politik, das sind am Schluss wir alle – als Stimmvolk. In politischen Diskussionen sind konkrete Beispiele jeweils hilfreich, so meine Erfahrung als Journalist. Vielleicht erinnern Sie sich bei Gelegenheit an diesen Text, wenn Sie in den medienpolitischen Diskussionen Argumente brauchen.

Fazit
Es gibt Geschichten, die es ohne die Regionalredaktion Aargau Solothurn von SRF nicht gäbe. Das war 2022 so – das ist hoffentlich auch 2023 und in den folgenden Jahren so. Wir bleiben kritisch, konstruktiv und fair. Und wir bleiben motiviert. Auch deshalb, weil wir mit dem Verein SRG Aargau Solothurn einen stets kritisch-konstruktiven Begleiter hinter und neben uns wissen.

Text: Maurice Velati, Leiter Regionalredaktion

Bild: Pixabay