«Zahlen, bitte!»
In seinem ersten Amtsjahr hat Bundesrat Albert Rösti medienpolitische Akzente gesetzt, die zu seinem Parteibuch passen und weiterhin Druck auf die SRG ausüben.
Kein halber Bundesrat
Der über die Parteigrenzen als «gmögiger», umgänglicher Politiker bekannte Rösti zeigte in seinem ersten Jahr als Bundesrat «klare Kante». Es war nicht zu übersehen, wo er politisch steht – und wofür er sich aktiv einsetzt: Hier der Ausbau der Autobahnen, dort die Reduzierung des Wolfbestandes und – für die SRG von existenzieller Relevanz – eine deutliche Senkung der Serafe-Gebühr.
Keine Halbierung? Eher mehr!
Freudig verkündete die SVP im Sommer 2023 das Zustandekommen ihrer als «Halbierungsinitiative» bekannten Volksinitiative «200 Franken sind genug (SRG-Initiative)». Dass die dafür nötigen 100ʼ000 Unterschriften gesammelt werden können, hatte niemand ernsthaft bezweifelt. Es sei sogar die einfachste Unterschriftensammlung gewesen, die er je erlebt habe, berichtete Nationalrat Thomas Matter in einem Interview. Nun sind 200 Franken arithmetisch ja nicht die Hälfte der aktuell gültigen Serafe-Gebühr von 335 Franken. Da aber auch gleichzeitig die Unternehmensabgabe, die nach geltender Regelung Firmen ab einem Jahresumsatz von 500ʼ000 Franken zu entrichten haben, ganz abgeschafft werden soll, verlöre die SRG weitere Mittel in beträchtlicher Höhe. So rechnet die SVP selbst in ihrem «Argumentarium» sogar mit weniger als 50 Prozent des jetzigen SRG-Gebührenanteils. So oder so fusst der von den Initiant:innen gesetzte Maximalbetrag nicht auf einer argumentatorisch schlüssig untermauerten Begründung, sondern wirkt als populistische Phrase – die SRG soll sich damit auf ihren «Kernauftrag» des Service public beschränken. Diese Mittelhalbierung würde aber die Existenz der SRG, wie wir sie heute kennen, schlicht beenden. Den jetzigen Konzessionsauftrag zu erfüllen, wäre für die SRG nach Annahme der Initiative unmöglich.
Keine Halbierung – aber eine schmerzliche Reduzierung
Der Mitinitiant Albert Rösti hat nun als «Medienminister» in der Exekutive die Causa betreffend freilich eine andere Rolle zu spielen. Schliesslich muss der Gesamtbundesrat zu Initiativen Stellung beziehen. Was machte Rösti? Er stoppte zunächst die Arbeiten an der Erneuerung der SRG-Konzession und verlängerte die jetzige Konzession auf unbestimmte Zeit. Denn zunächst sei eine «Gesamtschau» zum künftigen Auftrag der SRG angesagt; diese soll 2024 erfolgen. Dabei will Rösti dann auch die «Halbierungsinitiative» als massgeblichen Einflussfaktor einbeziehen – und geht somit proaktiv mit dem Anliegen seiner Partei um – ohne dass ein Abstimmungstermin überhaupt in Sicht wäre.
Erwartungsgemäss hat der Bundesrat die Initiative im Herbst abgelehnt. Der Berner «Wolf im Schafspelz» brachte aber eine andere Idee durchs Gremium: Auf der Verordnungsebene soll die Gebühr von 335 auf 300 Franken reduziert und weitere Firmen sollen davon befreit werden. Dies hätte für die SRG schmerzliche Einbussen von etwa 170 Millionen Franken zur Folge.
Verordnungsänderungen muss der Bundesrat nicht in die Vernehmlassung schicken. Rösti tat es aber dennoch, wohl um den Puls bei Befürworter:innen und Gegner:innen (z. B. bei der Allianz Pro Medienvielfalt und bei den Mediengewerkschaften) zu fühlen, sprich zu erfahren, ob ein solcher «Kompromiss» beide Seiten ein wenig zufrieden stellen könnte. Die Reaktionen fielen bei den polarisierenden Antagonisten wie erwartet aus. Für die Initiant:innen ist Röstis Vorschlag nicht einmal eine «halbe Sache», für die SRG und unterstützende Kreise ein massiver Schlag gegen die journalistische Leistungsfähigkeit, der weitere Konsequenzen wie sinkende Werbeeinnahmen mit sich bringen würde.
Interessanter und heterogener sind die Stellungnahmen anderer befragter Kreise. So sind SP, Grüne, GLP, Kultur-, Medien- und Sportverbände gegen eine Senkung der Gebühren. Die Mitte ist dafür, FDP und einige Wirtschaftsverbände wollen gerne eine stärkere Reduzierung sehen. Uneinheitlich ist das Bild auch bei den Kantonen. So unterstützt beispielsweise der Kanton Solothurn die Kürzung, obwohl er die demokratierelevante Rolle der regionalen Berichterstattung herausstreicht. Andere Kantone bemängeln die Reihenfolge des Prozesses: Erst sollen die neue Konzession und damit der konkrete Auftrag der SRG geregelt sein, bevor es um deren Finanzierung geht. Der zusammenfassende Vernehmlassungsbericht des Bundes liegt beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht vor. Es bleibt also abzuwarten, was Bundesrat und Parlament in Sachen Gebührenverordnung unternehmen werden.
300 Franken sind nicht genug!
Es lässt sich trefflich darüber streiten, wie viel denn ein Haushalt pro Jahr dazu beitragen soll, damit er mit verlässlichen und ausgewogenen Nachrichten, hochstehender Berichterstattung von Sportanlässen und vielem mehr, was man unter Service public verstehen mag, versorgt werden kann. Wir leben in Zeiten von Fake News und erleben massive Sparrunden bei privaten Medienhäusern. Es gibt immer häufiger und nicht nur verbale Angriffe auf Journalist:innen. Das Interesse am journalistischen Beruf schwindet. Social-Media-Propaganda von gewissen Parteien erreicht heute mitunter mehr jüngere Menschen, als dies Qualitätsmedien tun. Und rund um die Schweiz verstärken sich autokratische Tendenzen. Da passt eine Beschneidung von öffentlich finanzierten Sendern ins Bild. Aufrechten Demokrat:innen muss eine Kürzung der Serafe-Gebühren eigentlich anachronistisch anmuten – denn sie erweist sich als kontraproduktiv und gefährlich. Es braucht mehr als künstliche Intelligenz – und eigentlich eher mehr Geld für den Journalismus, um unserer Demokratie Sorge zu tragen.
Eine neue SRG-Generaldirektion soll es richten.
Die Abstimmung über die «Halbierungsinitiative» kommt. Die SRG wird sie unter einer neuen Leitung erleben. Gilles Marchand, seit 2017 Generaldirektor, verkündete im Januar 2024 seinen vorzeitigen Rücktritt. Marchands Amtszeit hätte bis 2027 gedauert. Die SRG wolle die Herausforderungen der nächsten fünf Jahre, zu der neben der Abstimmung auch die Verhandlungen über die neue Konzession gehören, mit einer neuen Generaldirektion bestreiten, die sich über den gesamten Zeitraum engagieren kann, so begründete Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina den Personalentscheid.