Programmkommission beobachtete Gerichtsberichterstattung

Ein Raser-Fall sowie zwei Tötungsfälle bewegten in den letzten Jahren die Schweiz, die sich alle drei in den Kantonen Aargau und Solothurn ereigneten. Anlass genug für die Programmkommission der SRG Aargau Solothurn, die Gerichtsberichterstattung am Fernsehen einmal genauer anzuschauen.

Das Raser-Opfer von Schönenwerd im November 2008, der Mordfall Lucie vom März 2009 und die drei Schenkkreis-Morde im Sommer 2009: Alle drei Fälle sorgen schweizweit für grosses Aufsehen und die dazugehörigen Gerichtsverhandlungen wurden in der Folge national verfolgt. Darüber berichtet haben für «Schweiz aktuell», «Tagesschau» und «10vor10» jeweils auch die SRF-Fernseh-Korrespondenten der Kantone Aargau und Solothurn. Aus aktuellem Anlass – im Januar fand vor dem Solothurner Obergericht die Berufungsverhandlung im Schenkkreis-Mord statt – widmete sich die Programmkommission der SRG Aargau Solothurn diesem Bereich der journalistischen Arbeit. Gemeinsam mit zwei SRF-Fernsehkorrespondenten wurden die Aspekte einer solchen Berichterstattung intensiv und breit diskutiert.

Die Programmkommission kam zum Schluss, dass die SRF-Berichterstattung in solchen Fällen grundsätzlich objektiv, sachlich und informativ erfolgt, ohne dabei der Effekthascherei und Sensationsgier zu verfallen, wie dies andere Medien oft tun. Zu reden gab in der Diskussion u.a. die Frage, wie man mit der Anonymisierung der Opfer und der Verdächtigen, aber auch weiterer Beteiligter umgeht. Hier ist der Grundsatz aller SRF-Redaktionen: Es werden keine Namen genannt und Gesichter werden grosszügig unkenntlich gemacht. Das gelte seit neuerem auch für Gerichtszeichnungen, wie die SRF-Korrespondenten erläuterten. Im Falle des Mordes am 16-jährigen Au-pair-Mädchen habe dies aber nicht so gegolten: Da Mörder und Opfer erst polizeilich mit Portraitaufnahmen gesucht worden waren, habe man Namen genannt und Gesichter gezeigt. Nach Ergreifung des Täters seien dessen Name und Gesicht aber unkenntlich gemacht worden; auch für die Illustrationen der vorangehenden Berichterstattung. Das Opfer aber sei weiter beim Namen genannt und gezeigt worden, da ihre Eltern Namen und Foto den Medien freigaben.

Nachgestellte Szenen an der Grenze des Zumutbaren?

Diskutiert wurde auch, ob eine Gerichtsberichterstattung über Mordfälle überhaupt nötig ist bzw. wie umfangreich sie sein darf. Hier gilt wie in der journalistischen Arbeit generell die Relevanz: Was schweizweit für Aufsehen sorge, solle verfolgt werden. Grundsätzlich, so schilderten die SRF-Korrespondenten, sei man zurückhaltend in der Menge der Gerichtsberichterstattungen. Es würde über verhältnismässig wenige Fälle berichtet.

Nicht bei allen Mitgliedern der Programmkommission kamen die Bilder gut an, die zur Veranschaulichung einer Tat verwendet werden. Die nachgestellten, oft in Schwarzweiss und mit Unschärfen gefilmten Szenen seien teilweise hart an der Grenze des Zumutbaren. Hier verwiesen die Korrespondenten zum einen auf den Umstand, dass man für eine attraktive Fernseh-Berichterstattung letztlich auf (bewegtes) Bildmaterial angewiesen sei. Zudem habe man gerade für die Vorberichterstattung zu einem Gerichtsfall kein aktuelles, brauchbares Bildmaterial – etwa von Verteidigern, Staatsanwälten, Gerichtssaal usw.. Und: Trotz aller strengen Vorschriften über den Einsatz solchen Bildmaterials sei es letztlich Geschmackssache, ob sie «zu viel» seien oder nicht. Jeder einzelne Einsatz von Bildern und Tönen werde aber innerhalb der Redaktion intensiv diskutiert. Grundsätzlich seien in Gerichtsberichterstattungen jeweils auch Redaktionsleitung bzw. Chefredaktion involviert, um solche und weitere heikle Fragen zu entscheiden.

Die Gestaltungsmöglichkeiten in der Gerichtsberichterstattung sind sehr eingeschränkt. In der Verhandlung selbst darf nicht gefilmt werden. So bilden Aussagen der Anwälte beider Seiten nebst der Kommentierung der Korrespondenten meist die Grundlage für einen Nachrichtenbeitrag. Auch wenn diese Einordnungen und Einschätzungen der SRF-Korrespondenten meist als sehr gut beurteilt wurden, wünschte man sich seitens Programmkommission da und dort zusätzlich die Stimme einer Fachperson: Neutrale Juristinnen oder Juristen sollten die Sachlage, die Aussagen der beteiligten Anwälte oder das Urteil des Gerichts einschätzen.

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