Abstimmungspodium mit Bundesrätin Doris Leuthard: Fakten und Emotionen in der Diskussion um die RTVG-Revision
In Aarau kreuzten Befürworter und Gegner der RTVG-Revision die Klingen. Die SRG Aargau Solothurn und die az Aargauer Zeitung hatten Bundesrätin Doris Leuthard, sowie die Aargauer Nationalratsmitglieder Cédric Wermuth und Sylvia Flückiger-Bäni eingeladen, ihre Argumente vorzubringen.
Unter der Leitung von Peter Moor-Trevisan (Präsident der SRG AG SO) und Christian Dorer (Chefredaktor az Aargauer Zeitung) diskutierten im Rahmen einer Podiumsveranstaltung im Kultur- und Kongresszentrum Aarau Befürworter des neuen Radio- und Fernsehgesetzes RTVG und dessen Gegner: SP-Nationalrat Cédric Wermuth und Sylvia Flückiger-Bäni, Nationalrätin SVP und Vizepräsidentin des Aargauer Gewerbeverbandes. Anwesend war auch Bundesrätin Doris Leuthard, die als Vorsteherin des Departementes für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation die Vorlage vertrat.
Anpassung an die Realität
«Die Zeiten sind vorbei, in welchen man mit dem klassischen Radio- oder Fernsehgerät die Nachrichten empfangen hat», stellte Leuthard eine Tatsache fest. Die technischen Voraussetzungen hätten sich verändert, heute konsumiere man das Medienangebot mit mobilen Geräten oder am Computer. 92 Prozent aller Haushalte etwa würden über einen Internetzugang verfügen, wohl 100 Prozent aller Unternehmen. Dieser Situation werde das heutige Gesetz nicht mehr gerecht, so das Fazit der Bundesrätin. In der Ausgestaltung der neuen Haushaltabgabe habe man auf ein System zurückgegriffen, das sich in den letzten Jahren bewährt habe, so die Medienministerin: die Mehrwertsteuer. Sie beziehe sich auf den Umsatz, nicht auf Betriebsstunden, Zahl der Mitarbeiter oder andere Faktoren. Unter dem Strich «bezahlen 84 Prozent aller Unternehmen mit der neuen Regelung nichts oder weniger als heute», verdeutlichte Leuthard.
Nach diesen Aussagen der Medienministerin wurde das Podium den Moderatoren sowie Cédric Wermuth und Sylvia Flückiger-Bäni überlassen. Letztere erhielt als Einstieg in die Debatte die Gelegenheit, die Argumente des Schweizerischen Gewerbeverbands gegen die RTVG-Revision aufzuzeigen: «Was uns stört, ist die Doppelbesteuerung», so die Nationalrätin. Es könne doch nicht sein, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für etwas zur Kasse gebeten würden und sie mit ihrem Unternehmen diese Leistung nochmals bezahlen müsse.
Aus Sicht von Cédric Wermuth ist dieser Umstand nicht neu. Auch das heutige Gebührensystem beinhalte Doppelbelastungen. So, wie es bei den Steuern seit jeher sei: «Sie bezahlen als Privatperson Steuern, aber auch mit ihren Unternehmen.» Jeder und jede bezahle mit der Steuer auch für Leistungen des Staates, die sie oder er vielleicht selbst gar nicht beanspruche oder gar wolle. Oder auf den Punkt gebracht: «Muss man für Dinge bezahlen, die man gar nicht nutzt? Ja, denn das ist das Prinzip einer Demokratie.»
Ausserdem bezahle das Gewerbe heute nicht in jenem Umfang Billag-Gebühren, wie es müsste. Würden heute alle bezahlen, die müssten, beliefen sich die Einnahmen auf 500 Millionen Franken, statt der effektiv einbezahlten 20 Millionen. Die neue Abgabe, die Einnahmen der Mediengebühr von Unternehmen im Umfang von 400 Millionen Franken vorsieht, sei also sogar eine Entlastung des Gewerbes, befand der Badener.
Ein weiterer Irritationspunkt aus Sicht des Gewerbeverbands: Über kurz oder lang würde die Mediengebühr vom Bundesrat auf 1000 Franken erhöht werden. Das wisse man, denn «SRF will ja mehr Eigenproduktionen realisieren. Das kostet Geld», so Flückiger-Bäni. Auch Investitionen im Webbereich seien teuer. Die neue Regelung zementiere auf die nächsten 100 Jahre ein System. Hier entgegnete Doris Leuthard, inzwischen unter die Zuhörer gegangen, sie habe seit Ihrer Zeit als UVEK-Chefin noch nie einen Gebührenerhöhungsantrag der SRG erhalten. «Einem solchen würde ich auch nicht zustimmen». Hingegen könne der Bundesrat schon heute über die Höhe der Gebühr selbst befinden: «Wenn ich wollte, könnte ich morgen dem Bundesrat Antrag stellen.» Auf Nachfrage hin musste die Vertreterin des Gewerbes einräumen, dass die 1000 Franken eine reine Annahme seien.
Zur Diskussion steht ein Gebührensystemwechsel, nicht der Service public
Einen Aspekt versuchte die Debatte klar von der Abstimmungsvorlage zu trennen: Die Diskussion über den medialen Service public. Denn diese laufe derzeit, habe aber mit der Vorlage vom 14. Juni nichts zu tun, wie die Bundesrätin betonte. Aus Sicht von Sylvia Flückiger-Bäni hätte die Debatte, was Service public genau beinhalte, vor der Abstimmung zur RTVG-Revision geführt werden müssen. Auf die Frage, ob denn die SRG den Service public richtig mache, entgegnete Sylvia Flückiger-Bäni lediglich, das Unternehmen sei nicht transparent und man wisse nicht, wie die Mittel eingesetzt würden. Aber bestimmt brauche jeder Landesteil einen Fernseh- und einen Radiosender. Auf Forderungen, die SRG solle sich im online-Bereich zurückhalten und auf gewisse andere Leistungen verzichten, erwiderte Cédric Wermuth: «Man kann ja nicht ernsthaft verlangen, dass der Service public in den 60er-Jahren stehen bleibt.»
SRG Aargau Solothurn
Die SRG Aargau Solothurn (SRG AG SO) ist die Trägerschaft des Schweizer Radio und Fernsehen SRF in den Kantonen Aargau und Solothurn. Sie bildet die Brücke zwischen Programmschaffenden und Publikum und setzt sich ein für einen unabhängigen Service public der SRG. Zudem tritt die SRG AG SO für eine angemessene Berücksichtigung der Kantone Aargau und Solothurn in den elektronischen Medien der SRG ein.
Die SRG AG SO ist eine der sieben regionalen Mitgliedgesellschaften der SRG Deutschschweiz und ist als Verein organisiert. Interessierte Personen können den Gesellschaften beitreten und im Rahmen der Vereins- oder Genossenschaftsarbeit Einfluss auf die Tätigkeit der SRG SSR nehmen.
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