Guten Journalismus kann es nicht gratis geben
Prinzipiell: was ist guter Journalismus? Und aktuell: wie kann man diesen heute noch finanzieren? Diese waren die zentralen Fragen gestern Abend im Stadtmuseum in Aarau, beim Schlossgespräch der SRG Aargau Solothurn.
Ein gut gefüllter Saal zeigte das Interesse am Thema «Qualität im Journalismus», das am Schlossgespräch der SRG Aargau Solothurn (SRG AG SO) diskutiert wurde. Peter Moor-Trevisan, Präsident der SRG AG SO, führte das Gespräch mit Olivia Gähwiler, Redaktorin Radio SRF3; Arthur Honegger, Redaktor und Moderator 10vor10, Patrik Müller, Chefredaktor AZ Nordwestschweiz, und Philipp Cueni, langjähriger Chefredaktor der Fachzeitschrift Edito.
«Was ist Journalismus» wollte Moor-Trevisan gleich zum Einstieg ins Gespräch wissen. «Der Journalist ist ein Informationsbeschaffer für die Bevölkerung, damit diese im demokratischen Prozess mitwirken kann», lautet die Definition von Cueni. Als «Wachhund der Demokratie» bezeichnet Honegger den Journalisten und sehr ähnlich schreibt Müller letzterem eine wichtige «Kontrollfunktion im demokratischen System» zu. Gähwiler hingegen definiert Journalismus bereits mit einer Wertung: «Ich will wissen, dass ich die vermittelte Information glauben kann, nur so kann ich mir eine auf Fakten basierte Meinung bilden.»
Guter Journalismus - Pseudojournalismus
Was denn den guten vom schlechten - heute auch oft als Pseudo- bezeichneten Journalismus unterscheide, wollte Moor-Trevisan weiter erfahren. «Gerade in den USA gibt es heute viele sogenannt alternative Medien. Diese betreiben einen ‹Parajournalismus›, der oft Verschwörungstheorien zum Inhalt hat. Solche Medien stossen auf erstaunliches Interesse in den USA. Bei uns ist dies noch nicht in dem Ausmass ein Problem», führt Honegger als ehemaliger USA-Korrespondent an. Cueni definiert Pseudojournalismus als denjenigen, bei dem weder der Absender bekannt ist, noch die journalistischen Abläufe durchlaufen wurden. Müller sieht den guten Journalismus in den klassischen Medienmarken: «Diese Medien haben sich bewährt, da kann man sich drauf verlassen». Das Problem sieht er beim Wildwuchs, der in den Social Media wie Facebook etc. verbreiteten Informationen.
Hier stellt sich nun die Frage, ob besonders die Jungen, die vor allem in den Social Media aktiv sind, die klassischen Medien noch kennen. Cueni bejaht dies und fügt an: «Die Jungen gehen bei vertieftem Interesse an einer Thematik zu den altbewährten Medienmarken, um sich dort mehr Information zu beschaffen. Dies bedingt natürlich, dass diese Qualitätsmedien einen Mehrwert bieten müssen.»
Die sogenannte Filterblase, die – bedingt durch Algorithmen – einem online nur Informationen von gleichgesinnten Absendern anbietet, wird von Gähwiler als verschleiernd empfunden: «Merkt man überhaupt noch, wenn Medienprodukte Pseudojournalismus sind?» Müller meint dazu nur: «Schon früher hatte man eine Art Filterblase, man konsumierte schliesslich bewusst Medien von gleichgesinnten Absendern. Man abonnierte die Tageszeitung, die in ihrer Ausrichtung am nächsten bei der eigenen Meinung stand.»
Was bedingt guten Journalismus und vor allem: wie finanziert man ihn?
«Robotertexte, native Advertising (Werbetexte im redaktionellen Bereich), Paywall-Modelle, wie sieht das zukünftige Finanzierungsmodell von Journalismus aus?», kam Moor-Trevisan auf den finanziellen Aspekt zu sprechen. «Werbetexte, die redaktionell aufgemacht sind, sind sehr gefährlich», meinte Cueni. «Die Leute trauen den Medien nicht mehr, wenn nicht klar ersichtlich ist, welcher Beitrag rein journalistisch und welcher bezahlt ist.» Gähwiler hält dem entgegen: «Man ist in der Schweiz viel zu vorsichtig. Man könnte alles viel transparenter machen, dann wären auch Mischformen von Journalismus und Werbung kein Problem.» Alle waren sich einig, dass neue Finanzierungsmodelle gefunden werden müssen, denn die klassische Werbung bringt das nötige Geld nicht mehr. Einig war man sich zudem darin, dass eine öffentliche Gebühr sinnvoll ist. Wie diese Gelder aber am wirksamsten eingesetzt und in welche Bereiche sie fliessen sollen, wird noch länger für Diskussionen sorgen.
«Die bereits diskutierte Idee der Bereitstellung von elektronischen Strukturen zur Nutzung verschiedener Medienschaffenden ist meines Erachtens gut und kann vor allem auch Kleineren, weniger finanzstarken Medien helfen» merkt Cueni an. Honegger: «Das Gebührenmodell sehe ich als eine grosse Paywall und die aktuell geführte Diskussion darum ist wichtig und richtig.». Auch Müller ist prinzipiell für eine Gebühr: «Die Bereitstellung von öffentlichen Geldern zur Mitfinanzierung der Ausbildung, für einen Beitrag an die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) oder die Beteiligung an den Portokosten von Presseprodukten macht Sinn.» Und nicht zuletzt stimme gerade das Beispiel der kommenden Online-Zeitung «Republik» optimistisch, so Gähwiler, «dass auch Junge immer noch bereit sind, für gute Medienprodukte Geld zu bezahlen.»
Die grosse Herausforderung in nächster Zeit definiert Cueni zum Schluss so: «Es ist zurzeit die gemeinsame Aufgabe von allen, eine Bewusstseinskampagne zu führen, die das Überleben von unabhängigem Journalismus auch in den nächsten Jahrzenten ermöglicht.»
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