Jetzt gehen die Sparmassnahmen ans Eingemachte
Bislang wurde im Haus SRF gespart, ohne dass man es draussen gross zu spüren bekam. Nun hinterlassen die neuesten Massnahmen Spuren im Programm. Co-Präsident Fabian Gressly fragt sich deshalb: Was darf uns Journalismus kosten?
Kürzlich flatterte mir eine Ausgabe von «20 Minuten» ins Haus. Man leistete sich zum 25-jährigen Bestehen des Gratisblatts bei Tamedia offenbar eine Streuwurfsendung in alle Briefkästen. Teil des Jubelblatts war auch – standesgemäss – ein Interview mit «TX Group»-Verwaltungsratspräsident Pietro Supino, geführt von «20 Minuten»-Chefredaktorin Désirée Pomper. Im Interview, das zum Gespräch verkommt, stellt auch sie sich die bis dato ungelöste Frage, wie man denn mit Journalismus heute noch Geld verdienen könne.
Diese Frage ist bestenfalls rhetorischer Natur. Oder sie war nie eine. Oder – und das ist mein Ansatz – sie ist schon längst beantwortet: Mit Journalismus hat noch nie jemand Geld verdient. Die Branche war schon immer auf andere Geldquellen angewiesen – vornehmlich in den guten alten Zeiten auf den Verkauf von Inseraten und Anzeigen im gleichen Blatt. In neueren, digitalen Zeiten über die Querfinanzierung aus anderen Geschäftsbereichen, wie das Beispiel des genannten Medienhauses bestens zeigt.
* An dieser Stelle sei eine Anmerkung erlaubt: Ab hier wäre dieser Text, den ich vor Wochen zu schreiben begann, ein anderer gewesen. Ich hätte Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, vorgerechnet, was Journalismus netto kostet. Nach etlichen, ausgiebigsten argumentativen Schleifen wäre ich zum Schluss gekommen, dass es ein grundlegender Widerspruch ist, wenn ein auf Rendite getrimmtes Unternehmen – wie es eine (börsenkotierte) Aktiengesellschaft mit unterschiedlichen Geschäftsfeldern ist – in Journalismus macht. Dazu hätte mir Mitte Oktober das drittgrösste deutsche Medienunternehmen, Axel Springer, den Beweis geliefert, das den kommerziellen «Kleininserate»-Teil unter der Ägide US-amerikanischer Investoren von der «klassischen» Mediengruppe im Besitz der Springer-Familie und von Herausgeber Mathias Döpfner trennt. Und Medien-Journalist Nick Lüthi hätte mir an einem anderen Beispiel ebenfalls zugestimmt. – Aber eben: Das wäre die Geschichte bis zum 24. September gewesen. Dann kam die Info über die nächste Sparrunde in der SRG.
Also zurück zur Grundthese: Mit Journalismus, qualitativen Medien, konnte noch nie Geld verdient werden. Wenn Journalismus nicht selbsttragend sein kann, muss eine andere, die relevante Frage gestellt werden: Was soll uns Journalismus kosten dürfen? Denn er gehört zu einer funktionierenden Gesellschaft, zu einer Demokratie. So wie Bildung, das Gesundheitssystem, Strassenbau und Öffentlicher Verkehr, Post und Telekommunikation...
Journalismus soll und muss uns, wie andere Grundpfeiler einer Gesellschaft, etwas kosten dürfen. Das gilt für Medien ganz grundsätzlich (wie ich an gleicher Stelle schon früher bemerkt habe), aber hier und in meiner Funktion als Co-Präsident der SRG AG SO insbesondere für die SRG und ihre Unternehmenseinheiten. Statt den Medien als vierte Staatsgewalt ihre Berechtigung zu lassen oder sie in Zeiten wachsender Desinformation gar zu stärken, hat sich der Bundesrat jedoch mehrfach entschieden, den Journalismus der SRG zu schwächen.
Das führt dazu, dass die SRG seit vielen Jahren sparen muss. Die jüngsten Massnahmen hierfür wurden am 24. September bekanntgegeben. Und bei diesen Massnahmen, das kann gar nicht deutlich genug betont werden, handelt es sich noch gar nicht einmal um Sparbemühungen in Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten Gebührensenkung von 335 auf 300 Franken. Die aktuellen Massnahmen sind «lediglich» der Vollzug von bereits vor einigen Monaten bekanntgegebenen Einsparungen.
Und diesmal tun sie richtig weh: Die Mittags- und Vorabend-Tagesschau werden durch News-Flashes ersetzt. Das durchaus erfolgreiche und vom Publikumsrat gelobte Format «We, Myself and Why», mit dem die junge Zielgruppe und vor allem junge Frauen erreicht wurde, wird gestrichen. Auch «Helvetia», mit welchem Personen mit Migrationsgeschichte gezeigt sowie erreicht werden sollten, fällt dem Sparhammer zum Opfer. Beides sind Entscheide, die ich persönlich enorm bedaure.
Aber auch die Regionen, und für diese setzen wir uns in der SRG AG SO ja ein, trifft es diesmal deutlich. In den beiden Info-Abteilungen Radio und Fernsehen werden insgesamt 16 Stellen abgebaut, auch die Regionaljournale wird es mit einigen treffen. «Regi»-Sendungen am Wochenende sollen weitgehend wegfallen. Das mag vielleicht dem Hörer:innenverhalten entsprechen. Doch weil in diesen Sendungen schwergewichtig Sport und Kultur berücksichtigt wurden, werden diese beiden Bereiche wohl oder übel unter Druck kommen.
In der SRG AG SO verpflichten wir uns dem medialen Service public und engagieren uns für die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten. Wir setzen uns auch ein für den unabhängigen Journalismus und damit für die Mitarbeiter:innen der Regionalredaktion in Aarau. Einfach mitanzusehen, wie unsere Region medial noch stärker verarmt als bisher, ist deshalb keine Option. Im Wissen, letztlich den Entscheid auf oberster Stufe kaum umstossen zu können, werden wir uns für die SRG-Leistung in unserer Region einsetzen und alles in unserer Macht stehende tun, damit die Sparmassnahmen im Haus SRF möglichst keine Folgen auf die Berichterstattung aus unserer Region haben.
Derweil und mit Blick auf die anstehende Debatte um die Mediengebühr konstatiere ich abschliessend gern wieder einmal: Wenn wir uns Journalismus nichts mehr kosten lassen, kostet uns das unsere Gesellschaft.