Rückblick auf vier Jahre Arbeit Publikumsrat
Seit 2021 hat Fabian Gressly als Mitglied des Publikumsrats der SRG D SRF-Programmschaffenden Rückmeldung zu deren Arbeit gegeben. Seine Arbeit in dieser Form endete vor einem Monat. Ein Rückblick auf viele aufschlussreiche Sitzungen.
Am 12. Dezember vergangenen Jahres tagte der Publikumsrat in seiner ursprünglichen Form zum letzten Mal. Künftig soll das Gremium andere Aufgaben verfolgen, ist anders aufgestellt. Mit der letzten Beobachtung des Publikumsrats zur KI-Themenwoche von SRF, die vom 17. bis 24. November auf allen Kanälen von SRF lief, endet dessen 32-jährige Tätigkeit im Dienste der Qualitätssicherung von Inhalten, welche SRF im Fernsehen, am Radio, als Podcast, auf Social-Media-Kanälen oder auf der Website produziert. 26 Mitglieder allen Alters, aus allen Gegenden der Deutschschweiz, aller möglicher beruflicher, kultureller und gesellschaftlicher Hintergründe gaben den Sendungsverantwortlichen in zehn Sitzungen pro Jahr eine Rückmeldung über das Gesehene, Gehörte, Gelesene. Pro Sitzung standen meist zwei Sendegefässe unter Beobachtung, was eine enorme Breite des Angebots – und doch nur ein kleiner Ausschnitt desselbigen – berücksichtigte.
Vier Jahre lang war auch ich Mitglied des Publikumsrats. Dabei zeugt der Blick auf die erste Einladung vom Februar 2021 von einer anderen Zeit: «Via Zoom» steht da. Mehr als ein Jahr lang traf man sich wegen der Pandemie nur per Bildschirm, statt, wie üblich, in einem Sitzungszimmer Angesicht zu Angesicht. Dabei die Sitzungskultur zu spüren, war schwierig – gerade für neue Mitglieder. Doch die Sachbezogenheit der Publikumsrätinnen und -räte und ihr fokussierter Blick auf das Wichtige sorgten dafür, dass selbst unter diesen erschwerten Bedingungen zielgerichtete Analysen der SRF-Inhalte entstanden. Dass meine erste Beobachtung «SRF bi de Lüt – live aus Andermatt» war, war dabei erleichternde Fügung: Ich schaute die Sendung ohnehin, weil wenige Wochen später Winterferien im Urner Dorf angesagt waren. Dass man neben der sachlichen Perspektive auch einen persönlichen Bezug zum Beobachtungsgegenstand mitbrachte, war jeweils ein Idealfall für jede Beobachtung. In den folgenden Monaten und Jahren wurden unzählige Gefässe unter die Lupe genommen: die «Rundschau», «Schweiz aktuell», «Puls», «Kassensturz, «Deville», «Persönlich», «mitenand», verschiedenste Sport-Berichterstattungen von den Swiss Indoors und der Euro 2020 bis zur Rad-WM und Olympia 2024. Neue Formate von «Uf Takt» über «We, Myself & Why» und «SRF Impact» bis «rec.» und «Studio 404», Hörspiele, Wahlsendungen, Samstagabend-Kisten wie «Stadt, Land, Talent» oder «Wie tickt die Schweiz», «Neumatt», «Wilder», «Tschugger», «Forum», «1 gegen 100», die Neuausrichtung von Radio Virus, das Literatur-Angebot von SRF 2 Kultur (in den Zeiten, als selbiges umgebaut wurde), «PlaySuisse» als ganze Plattform, «Landfrauenküche», «Kuppelkids» und vieles mehr (die Berichte gibt es hier nachzulesen). In den über 30 Jahren der Tätigkeit des Publikumsrats sind so rund 600 Beobachtungen zustande gekommen.
Die Feststellungen jedes und jeder einzelnen im Publikumsrat sowie der daraus jeweils entstandene schriftliche Gesamtbericht sind das eine: Hier hielten wir fest, was uns ge- oder missfiel – und wieso. Die SRF-Verantwortlichen konnten diese Befindlichkeit ungefiltert nachlesen. Mindestens ebenso aufschlussreich waren die Sitzungen selbst, in welchen gewisse Feststellungen ausführlich diskutiert werden konnten – auch über eine lange Frist hinweg und fortwährend, denn bestimmte Fragen kamen immer wieder aufs Tapet. An den Beispielen von «Abenteuer Wildnis», «Kuppelkids» oder «SRF Kids» beispielsweise, welche Überlegungen sich die Redaktionen machen, wenn Kinder vor der Kamera stehen. Oder welche Tragweite gewisse Formate im Kontext des Konzessionsauftrags haben. Dass es bei «Stadt, Land, Talent» nicht nur um Unterhaltung geht, sondern mehr dahintersteckt: Samstagabend-Shows bieten das Futter, über das man am Sonntag im Familien- und Freundeskreis oder am Montag in der Arbeitspause vor der Kaffeemaschine spricht. Futter für Zusammenhalt und Verständnis im Land.
Schon allein die knapp 40 Sitzungen, die ich miterlebt habe, zeigten mir auch, mit welch unterschiedlichen Blicken SRF-Inhalte aufgenommen werden können. Auch das war wohltuend. Ich habe nie gedacht, dass mein Blick auf SRF der einzig richtige ist. Vertieft die verschiedensten Perspektiven und Wahrnehmungen, welche meine 25 Kolleginnen und Kollegen einbrachten, zu hören, erweiterten aber auch meinen Blick.
Dass die SRF-Verantwortlichen nun nicht mehr über ein solches Feedback-Gefäss verfügen, ist schade. Über die Jahre hinweg entstand in gegenseitigem Vertrauen und gemeinsamem Verständnis «im Sinne der Sache» eine offene, konstruktive und auch immer wieder kritische Auseinandersetzung. Seit dem 1. Januar ist ein neuer Publikumsrat in neuer Struktur an der Arbeit. Ich wünsche ihm, dass er diese Basis ebenso zu schaffen vermag wie es der alten Garde gelang.