Wieso SRF dort spart, wo nun gespart wird

Bis nächstes Jahr muss SRF 20 Millionen Franken einsparen. Der Spardruck ist mittlerweile so gross, dass auch ganze Sendeformate wegfallen müssen. Wir haben nachgefragt, welche Überlegungen zu den schwerwiegenden Entscheiden geführt haben.

Die jüngsten Ankündigungen von Einsparungen bei SRF (siehe u.a. hier und hier) haben viele Fragen ausgelöst. Insgesamt kommunizierte SRF rund 20 Massnahmen im Angebot sowie Einsparungen in der Technologie. So fallen unter anderem das Gesellschaftsmagazin «G&G», das Hörspiel auf Radio SRF 1 am Montagnachmittag, das Wirtschaftsmagazin «Trend» oder das «Wissenschaftsmagazin» auf Radio SRF 2 Kultur weg, entsprechende Themen werden künftig anders aufbereitet und fliessen ins Tagesprogramm ein. Wir haben die SRF-Kommunikation unter der Co-Leitung von Andrea Wenger und Raphael Amrein gebeten, einige der Fragen, die wir haben oder die von Mitgliedern, von Interessenvertreter:innen aus Politik und Kultur sowie aus der Bevölkerung an uns herangetragen wurden, zu beantworten.

Vorauszuschicken gilt – einmal mehr –, dass die Sparmassnahmen aufgrund äusserer Bedingungen erforderlich sind. «Seit 2023 ist das Budget von SRF um 24 Millionen Franken gesunken», heisst es von SRF. Hauptgründe sind die sinkenden kommerziellen Einnahmen und seit diesem Jahr zusätzlich die deutliche Reduktion des Teuerungsausgleichs auf der Medienabgabe bei gleichzeitig steigenden Preisen. Bis 2026 geht der Finanzrahmen von SRF um weitere 20 Millionen Franken zurück: «Über etwa 20 Einzelmassnahmen im Angebot reduzieret SRF die Kosten bis Anfang des kommenden Jahres deshalb um rund 8 Millionen Franken. 12 Millionen Franken werden mit Veränderungen in der Organisation eingespart. Die entsprechende Kommunikation erfolgt voraussichtlich im Sommer.»

Wie genau wurde entschieden, welche Formate bleiben und welche nicht?
SRF muss sparen und sich gleichzeitig transformieren, um dem veränderten Nutzungsverhalten des Publikums Rechnung zu tragen. In diesem Spannungsfeld wurden die rund 20 Massnahmen im Angebot beschlossen. Sämtliche Veränderungen im Angebot sind mit der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen von SRF konform – sie sind also alle strategisch abgeleitet. Eine Arbeitsgruppe hat sämtliche der über 500 Angebote von SRF überprüft und die Analysen der Geschäftsleitung vorgelegt: Zentrale Faktoren waren u. a. die Wirkung bei der anvisierten Zielgruppe, die Wertschätzung beim Publikum und die Zukunftsfähigkeit – also ob eine Sendung dem heutigen oder künftigen Nutzungsverhalten des Publikums entspricht, insbesondere, ob sie sich für die zeitversetzte Nutzung eignet. Die Geschäftsleitung hat dabei in einem intensiven Prozess möglichst viele Informationen aus wissenschaftlichen Erhebungen und der Nutzungsmessung genutzt sowie interne Expertinnen und Experten konsultiert, um die schwierigen Entscheidungen zu fällen.

War, wie die Redaktion des «Wissenschaftsmagazins» von SRF erwähnte, tatsächlich eine Befragung von 20 Personen ausschlaggebend für Entscheide?
SRF fällt strategische Entscheidungen nicht auf Basis einer einzigen Zahl oder Studie – das gilt auch für diesen Entscheid. SRF hat verschiedene zur Verfügung stehende Daten herangezogen. Dazu zählten Nutzungsmessung, Umfrageforschung oder Finanzdaten. Diese Daten wurden mit Einschätzungen von internen Expert:innen kombiniert. Bei der im «Wissenschaftsmagazin» erwähnten Befragung handelt es sich um eine qualitative Studie zum Sender Radio SRF 2 Kultur in Zusammenarbeit mit einem etablierten Forschungsinstitut. Der Sender hatte in den zehn Jahren bis zur Umsetzung der Studie kontinuierlich am Markt verloren – und das schneller als der Gesamtmarkt. Für die Studie wurden 20 Tiefeninterviews mit Radio SRF 2 Kultur-Hörerinnen und -Hörern geführt. Dank dieser vertiefenden Interviews – darunter auch mit bekennenden Fans von Radio SRF 2 Kultur – konnte SRF deren Bedürfnisse an den Programmablauf in einem Kulturradio noch besser verstehen. Inhalte der Wissenschaft bleiben bei SRF wichtig – im TV, im Radio und online. Heute umfasst die Redaktion knapp 22 Vollzeitstellen mit 29 Journalistinnen und Journalisten. Durch den Verzicht auf das «Wissenschaftsmagazin» fallen voraussichtlich weniger als zwei Vollzeitstellen weg. Die Wissenschaftsredaktion bleibt mit rund 20 Vollzeitstellen für Radio, Fernsehen und Online immer noch die grösste in der Schweiz und agiert unter dem Namen «SRF Wissen» auch als Kompetenzzentrum für Wissensthemen, von dem viele andere Sendungen innerhalb von SRF profitieren.

Es bestehen Befürchtungen betreffend Qualitätsverlust: Ein Beitrag von drei Minuten im Tagesprogramm ist nicht das gleiche wie ein eigenes Sendeformat. Konkrete Sendegefässe, die man gezielt hören kann, sind nicht gleichwertig mit Beiträgen im Tagesablauf. Wie beurteilt SRF das?
Kürzere Beiträge sind nicht automatisch schlechter – und längere nicht automatisch besser. Eigene und externe Studien zeigen bereits seit vielen Jahren: Radio ist ein wichtiges Begleitmedium am Morgen und durch den Tag. SRF hat vertiefte Interviews mit Hörerinnen und Hörern geführt, um die Motive der Nutzung und damit die Hintergründe der negativen Nutzungsentwicklung besser zu verstehen. Gleichzeitig wird immer wieder nach neuen Wegen gesucht, um wichtige Themen dem Publikum auf unterschiedlichsten Kanälen näherzubringen. Dazu gehört seit Anfang Jahr ein Fenster für die Wissenschaft auf Radio SRF 1. Dreimal pro Monat sind Wissensinhalte am Donnerstag zwischen 14 und 15 Uhr in vier Blöcken à vier Minuten zu hören. Auf diesem Sendeplatz erreichen die Wissenschaftsthemen bis zu acht Mal mehr Publikum als das «Wissenschaftsmagazin» bei Radio SRF 2 Kultur. Anschliessend werden die Einzelbeiträge als Podcast konfektioniert in voller Länge ausgespielt und erreichen so nochmals andere Zielgruppen. SRF hat einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen – auch in der Wissenschaft. Das gelingt uns aber nur, wenn wir das Publikum auch tatsächlich erreichen. Und genau diesem veränderten Nutzungsverhalten wollen und müssen wir Rechnung tragen.

Es besteht der Eindruck, dass zur Zeit v.a. Nischenformate in Kultur und Wissenschaft, für Frauen oder die migrantische Bevölkerung gestrichen werden. Sie sind aber wichtig, um in der Gesellschaft Verständnis füreinander zu schaffen. Wie sieht SRF dies?
SRF muss sich weiterentwickeln, um auch im kleineren Finanzrahmen bei allen Zielgruppen relevant zu bleiben. Dabei haben selbstverständlich auch Angebote für kleinere Zielgruppen weiterhin Platz. Allerdings müssen diese Inhalte das anvisierte Publikum auch tatsächlich erreichen. Service public ohne Public ist im Interesse von niemandem. Als öffentlich finanziertes Medienhaus ist SRF in besonderem Masse dem Publikum verpflichtet. Die Menschen in der Deutschschweiz stehen auch in Zukunft im Zentrum von allem, was das Unternehmen tut. Unter diesen Umständen an Sendungen festzuhalten, die nicht dem heutigen Nutzungsverhalten entsprechen, war deshalb keine Option.

Vom «Was» zum «Wie»: Am 4. Februar wurde die Einstellung von «G&G» kommuniziert, am darauffolgenden Tag weitere Streichungen. Für die Öffentlichkeit ist es schwierig, sich ein nachvollziehbares Bild über die Entscheidungen zu machen, wenn die öffentliche Information häppchenweise erfolgt. Wie kam es dazu?
Den idealen Zeitpunkt für solche Ankündigungen gibt es nicht. Die Verantwortlichen haben sich im Vorfeld sehr viele Gedanken über die Informationskaskade gemacht und sich am Ende für diese zweistufige Lösung entschieden – im Wissen, dass dies auch Kritik auslösen würde. Oberstes Ziel war es, dass die Redaktion von «G&G», die nach 20 Jahren faktisch aufgelöst wird, im persönlichen Gespräch von den Vorgesetzten informiert werden kann – und die Nachricht nicht via Medien erfährt. Dieses respektvolle Vorgehen ist das Unternehmen den Mitarbeitenden schuldig. Bei früheren Personalveranstaltungen ist es leider schon vorgekommen, dass Inhalte frühzeitig an Dritte weitergegeben wurden und so bereits als Breaking News in Online-Medien verbreitet wurden. Gerade weil es im Vorfeld intern bereits Gerüchte über Veränderungen bei «G&G» gegeben hatte, wollten die Verantwortlichen die Gefahr eines Leaks minimieren. Es wäre sehr unschön gewesen, wenn die «G&G»-Redaktion zuerst via Medien von den Massnahmen erfahren hätte. Deshalb musste die Kommunikation um einen Tag vorgezogen werden. Auch bei der künftigen Kommunikation von Veränderungen wird stets das Hauptziel sein, Direktbetroffene persönlich und mit genügend Zeit informieren zu können. Das ist eine Frage der Fairness.

Text: Marina Della Torre und Fabian Gressly, Co-Präsidium

Bild: SRF