Von Zappeligen und Überpünktlichen

Hin und wieder führen wir Besucherinnen und Besucher durch unser Studio. Wir machen das gerne. Es ist eine gute Gelegenheit, den Gästen zu erklären, wie wichtig Regionaljournalismus ist.
Im März ergab es sich, dass sogar zwei Führungen an einem Tag stattfanden. Eine am Mittag, eine am Abend. Der Tag war derselbe, die beiden Gruppen aber hätten gegensätzlicher nicht sein können.
Gruppe 1: Eine Schulklasse, die gerade in einer Projektwoche war und einen Podcast produzierte. Durchschnittsalter: 13.
Gruppe 2: Neumitglieder der SRG Aargau Solothurn. Durchschnittsalter: 62.
Generation Tiktok
«Habt ihr schon einmal etwas von der SRG gehört?», fragte ich Gruppe 1 und blickte in ratlose Gesichter. SBB war den Kindern ein Begriff, SRG offensichtlich nicht. «Radio» schien ein Fremdwort zu sein, von einer «Tagesschau» hatten sie noch nie gehört. Welche Medien sie denn konsumieren, wollte ich wissen. Youtube, meinte einer.
Dialekt-Wörter wie «Gülle» oder «Bschütti» waren der Klasse unbekannt. Die Begleitperson versuchte zu erklären: «Das, was so stinkt auf den Feldern». Nach einer halben Stunde konnten sich die jungen Besucher nicht mehr konzentrieren und wurden zappelig. Das sei halt die «Generation Tiktok», erklärte ihr Lehrer.
Generation Tell-Star
Die Führung für Gruppe 2 war um 16:45 Uhr. Auf der Einladung stand «Eintreffen 16:30 Uhr». Die ersten Senioren kamen um 15:50 Uhr und warteten also über eine Dreiviertelstunde geduldig auf einem Stuhl sitzend, beinahe stoisch. Wirklich alle waren überpünktlich, die Führung hätte früher starten können.
«Wer liest zum Zmorge am Tisch noch die Zeitung auf Papier?» fragte ich und einige streckten die Hand auf. Eine Frage zur UKW-Abschaltung wurde gestellt. Und einer erzählte, er könne am Computer das Regi nicht hören, weil auf dem Bildschirm die Einstellungen stets verschwinden würden. «Musst du halt den Enkel fragen», raunte der Sitznachbar.
Was Alt und Jung in Staunen versetzt
Führungen beginnen meist mit einer kleinen Präsentation über SRF. Danach gibt es einen Einblick ins Vorproduktionsstudio, wo ich unter anderem gerne eine nicht mehr benutzte Bandmaschine vorführe. Das tat ich auch beim Besuch der beiden Gruppen – mit sehr unterschiedlichen Reaktionen.
Die Jungen staunten, wie früher von Hand ein Tonband geschnitten und geklebt werden musste. Für die Demonstration der Audiobearbeitungs-Software erntete ich allerdings nur müde Blicke.
Anders die «Generation Tell-Star»: Die älteren Semester waren fasziniert, wie heute am Bildschirm mit wenigen Klicks Interviews geschnitten werden. Während die Bandmaschine von Studer-Revox höchstens einige nostalgisch werden liess, deren Funktionsweise brauchte ich jedenfalls nicht zu erklären.
Nein, das war nicht überzeichnet, sondern so ist das heute: In Sachen Medien bewegen sich die Generationen in sehr unterschiedlichen Welten. An diesem März-Tag wurde das einfach nur wieder einmal augenfällig.
Auf der Heimfahrt kam mir dann noch ein neckischer Gedanke: Wie wäre es wohl herausgekommen, wenn wir die beiden Führungen zusammengelegt hätten? Die zappeligen Tiktoker und die ergrauten UKW-Hörerinnen in derselben Gruppe? Das hätte wahrscheinlich zu einigen interessanten Begegnungen geführt.