Eine Umfrage und einige Antworten

Eine umfangreiche Medienberichterstattung von letzter Woche hat bei Co-Präsident Fabian Gressly ein paar Gedanken angeregt, die er Ihnen nicht vorenthalten möchte.
Am vergangenen Dienstag, rund sieben Monate vor dem mutmasslichen Abstimmungstermin über die Halbierungsinitiative, publizierte Watson, das primäre online-Medium von CH Media, ein Dossier zu besagter Vorlage: Resultate zu einer Umfrage im Hinblick auf die Initiative, die wichtigsten Facts zur Abstimmung und eine Art politische Auslegeordnung, das Ganze ergänzt mit einer Einschätzung eines Medienwissenschaftlers.
Gemäss einer repräsentativen Umfrage des online-Mediums (obwohl das eine oder andere streng genommen etwas fraglich ist) sind aktuell 56 Prozent der gut 9000 Befragten gegen die Initiative, wobei 49 Prozent für ein klares Nein votierten (7 Prozent «eher Nein»), während 36 Prozent die Initiative klar unterstützen (8 Prozent «eher Ja»). Dabei scheinen die Fronten gesetzt zu sein. Nur wenige sprachen sich für «eher» Ja resp. Nein aus. Was aber natürlich nicht heisst, dass sich in den nächsten Monaten noch Verschiebungen ergeben können. Wir erinnern uns: Die letzten Prognosen gaben damals der No-Billag-Initiative sehr gute Chancen, obwohl sie dann mit fast 72 Prozent abgelehnt wurde.
In der Umfrage konnte aber nicht nur abgestimmt werden, die Teilnehmenden konnten auch noch Argumenten ihren Zuspruch geben: «Am überzeugendsten fanden sie das Argument: ‹Die SRG produziert Inhalte, welche auf dem freien Markt nicht finanzierbar wären›. Diesem stimmten 52 Prozent der Befragten zu. Alle anderen Argumente kamen auf eine Zustimmung von unter 50 Prozent. Etwa, dass die SRG wichtig für die Demokratie ist (48 Prozent) und es sie in der aktuellen geopolitischen Lage mehr denn je braucht (46 Prozent).»
Womit wir einen Blick auf die politische Auslegeordnung werfen: Denn von den Befürworter:innenn der Initiative wird beispielsweise oft ins Feld geführt, die SRG mache nichts, was andere Medien nicht auch könnten. So sagt im betreffenden Beitrag SVP-Nationalrat Benjamin Fischer: «Zu behaupten, dass nur gebührenfinanzierte Medien guten und unabhängigen Journalismus produzieren, ist eine völlig absurde Verdrehung der Diskussion.» Und darin müsste man ihm sogar Recht geben. Jeder und jede halbwegs ernsthafte Journalist:in hat sich zum Ziel gesetzt, Hintergründe nachvollziehbar zu machen, Missstände aufzudecken, auch mal unangenehme Wahrheiten ans Licht zu bringen. Der Journalismus und damit jedes Medium sind wichtig für die Demokratie – egal ob er bei SRF, bei der NZZ oder Tamedia stattfindet. Es gilt bspw. für alle der Journalistenkodex des Schweizer Presserats (was nicht heisst, dass ihn alle stets befolgen). Nur: Die Häuser, welche Journalist:innen beschäftigen, sind kaum mehr gewillt, dafür auch Geld auszugeben. Reihum reduzieren Medienhäuser in der ganzen Schweiz den Bestand ihrer Redaktionen (u.a. hier vorgerechnet bzw. hier kommentiert), weil die Einnahmen sinken. Folglich kommen die wenigen Journalist:innen, die ihren Job noch ausüben können, gar nicht mehr dazu, sich Zeit für ihre Recherche zu nehmen. Die SRG ist – dank des Gebührenmodells – zum Glück privilegiert und weitgehend unabhängig von diesem Mechanismus, denn sie muss das Geld nicht im hart umkämpften, international gewordenen Medienmarkt erarbeiten.

Womit wir bei einem weiteren Vorwurf der Initiant:innen sind: Die SRG schwächt die privaten Medien mit ihrer grossen Präsenz. Und mit dieser Behauptung kommen wir zum dritten Beitrag im Watson-Paket von letztem Dienstag: dem Gespräch mit dem Medienwissenschaftler. Manuel Puppis von der Universität Fribourg und zudem Mitglied der Eidgenössischen Medienkommission stellt darin unter anderem fest: «Diese Kreise behaupten, dass alle Leistungen der SRG auch von privaten Medien erbracht werden könnten. Und was auf dem Markt nicht bereitgestellt werde, brauche es auch nicht. Doch das stimmt nicht. Der Medienmarkt in der Schweiz ist viel zu klein für privates Fernsehen mit einem umfassenden Programmangebot.» (In einer späteren Antwort wird diese Feststellung weiter ausgeführt.) Ausserdem würde das Publikum gemäss Studie der Uni, wenn es die Angebote der SRG nicht mehr gäbe, zu Gratisangeboten wechseln und z.B. kein Zeitungsabo kaufen. Wie weit diese Gratisangebote umfassende Information, die mit teurer Arbeit recherchiert werden, bieten, das bleibe mal dahingestellt…
Eine Halbierung des SRG-Budgets würde nicht den Privaten helfen oder das vielkritisierte Abendprogramm verschlanken, wie Puppis ausführt: «Kochsendungen, US-Serien – das ist das Billig-Programm, mit dem man 24-Stunden füllt. Die teuren Inhalte sind Information, Kultur, Bildung, einheimische Fiktion. Dinge wie ein internationales Korrespondentennetzwerk zu pflegen. In diese Lücke könnten die privaten Medienhäuser nicht springen. Auch ihnen geht das Geld aus.» (Fragen Sie sich doch mal, in welchen Bereichen Ihr Hausblatt dünner geworden ist.)
Mit den angekündigten Sparmassnahmen wird der SRG Kalkül vorgeworfen, auch von SVP-Nationalrat Benjamin Fischer. Ja, klar ist es Kalkül! Oder zu Deutsch: «Berechnung». Denn das Unternehmen muss schleunigst kalkulieren, wie innerhalb von vier Jahren 270 Mio. Franken gespart werden können. Ein Parteikollege von Fischer, Medienminister Albert Rösti, hat die Senkung der Gebühr mit dem Bundesrat beschlossen. Ein Vorgehen, das der Wissenschaftler Puppis übrigens schlecht findet: «Die Herausforderungen für den Journalismus sind riesig. Anstatt über Kürzungen zu diskutieren, müssten wir darüber sprechen, was unsere Demokratie in Zeiten der Digitalisierung von einem Service public braucht.»
Genau! Wir, die SRG Aargau Solothurn, machen das: Was hat es mit den Transformationsprojekten auf allen Stufen auf sich? Wie will, kann und muss sich die SRG angesichts des Wandels im Medienkonsumverhalten verändern? Was muss sie leisten, was will sie leisten und was soll sie leisten? Und wie geht man mit dem Damoklesschwert der sinkenden Einnahmen – wieso es auch immer zu diesen komme – um? Die SRG Aargau Solothurn will diese und weitere Fragen mit einer Person diskutieren, die es wissen muss: SRG-Generaldirektorin Susanne Wille. Mit von der Partie sind die beiden Politikerinnen Lilian Studer (EVP/AG) und Melanie Racine (Jungfreisinnige/SO), um andere Perspektiven auf die Fragen zu werfen. Wer auf die Antworten gespannt ist oder sich ganz generell einfach mal einen Überblick über all die Fragen verschaffen möchte, ist am 24. September herzlich im Kultur und Kongresszentrum Aarau willkommen (Beginn um 19 Uhr, im Saal 2, 1. Stock; Details hier).
Ausserdem stellt sich die SRG Aargau Solothurn in der nächsten Zeit auch wieder an zwei Wochenmärkten dem Dialog. Kommen Sie vorbei, falls Sie Fragen haben, Sie etwas wundernimmt oder Sie sonstwie Gesprächsbedarf haben! Am kommenden Samstag, 23. August, am Samstagsmarkt in Solothurn (vis-à-vis der «Couronne») und am Samstag, 30. August, am Markt in Zofingen (auf dem Postplatz). Details finden Sie hier.