Zwischen Hoffen und Bangen
Das Co-Präsidium hat mich gebeten, an dieser Stelle folgende Frage zu beantworten: Wie ist eigentlich derzeit die Stimmung auf der Regionalredaktion Aargau Solothurn?
Meine erste Antwort ist kurz: Einige von uns haben im Oktober gemeinsam das grösste Winzerfest der Deutschschweiz besucht, das legendäre Winzerfest in Döttingen. Sie haben dem Hudelwetter getrotzt, sind mit dem offenen Bähnli durch den Rebberg gefahren und haben sich trotz Regens prächtig amüsiert. Die Stimmung ist also sehr gut, wir verstehen uns bestens, der Teamgeist ist super.
Aber so war die Bitte natürlich nicht gemeint. Vielmehr ging es darum, die Stimmung auf der Regionalredaktion zu beschreiben angesichts der Sparmassnahmen bei SRF, angesichts der Reorganisation der Regionalredaktionen, und angesichts der baldigen Abstimmung über die Halbierungsinitiative. Nun, die Antwort darauf ist ein bisschen länger…
Zu den Sparmassnahmen: SRF hat in diesem Jahr dutzende Stellen gestrichen. Abgebaut wurde auch im Kerngeschäft, dem Journalismus. Die Regionalredaktionen in Zürich, Basel, Bern, Aarau, Luzern und St. Gallen mussten fünf Vollzeitstellen streichen. Das ging nur, indem wir unser Programm reduzierten. Die Regionaljournale am Samstag wurden gestrichen und jene am Sonntag verkürzt. Auf der Regionalredaktion Aargau Solothurn mussten wir uns deshalb von freien Mitarbeitern trennen, die am Sonntag jeweils die Sportberichterstattung übernommen hatten.
Wie die Stimmung ist? Wir sind uns bewusst, dass es andere Redaktionen härter trifft als uns. (Und dass es Firmen gibt, die unter dem Zollhammer der USA leiden und ebenfalls Personen entlassen müssen). Trotzdem tut es weh und verunsichert. Bislang wurde unter anderem wegen der Teuerung gespart. Die Auswirkungen der vom Bundesrat beschlossenen Gebührensenkung kommen aber erst noch. Viele Schweizerinnen und Schweizer haben es wohl noch gar nicht mitbekommen, dass die Gebühren so oder so gesenkt werden, egal wie die Abstimmung zur Halbierungsinitiative herauskommen wird. Bis 2029 muss die SRG deswegen 270 Millionen Franken einsparen. Werden wir die Regionaljournale noch mehr kürzen müssen? Noch wissen wir nicht, was auf uns zukommt und das wirkt belastend. Es sind ungemütliche Zeiten.
Zur Reorganisation: Noch in diesem Jahr werden wir zu multimedialen Regionalredaktionen. Die Radio-, Online- und Fernseh-Redaktorinnen und -Redaktoren werden enger zusammenarbeiten als bisher. Während sie heute zum Teil noch parallel an der gleichen Story arbeiten, sollen sie künftig Inhalte für die Kanäle Audio, Video und Digital aus einer Hand produzieren. Ein Ziel der Neuorganisation: Doppelspurigkeiten eliminieren und effizienter werden.
Wie die Stimmung ist? Veränderungen sorgen oft für Unruhe. Einige Redaktoren befürchten, dass wir künftig noch mehr planen und koordinieren müssen und vor lauter Absprachen am Schluss die Zeit fehlt für die eigentliche journalistische Arbeit, dass mehr Interviews vom Büro aus gemacht werden müssen statt direkt vor Ort bei den Menschen.
Es schwingt aber auch Vorfreude mit. Die meisten im Team sehen, dass ihr Job attraktiver werden könnte, wenn sie mehr als einen Kanal beliefern. Und sie haben die Hoffnung, dass es einer moderneren SRG gelingt, erfolgreich auf den Mediennutzungswandel zu reagieren. Das folgende Beispiel passt hier vielleicht nicht ganz hin, zeigt aber eindrücklich, wie weit fortgeschritten der Mediennutzungswandel ist. Da war kürzlich im «Tele» zu lesen, dass die einst beliebte Sendung «Verstehen Sie Spass?» im Fernsehen nur noch knapp 3 Millionen Menschen erreicht, während es zu Zeiten von Paola und Kurt Felix 20 Millionen waren, dass dafür aber die Ausschnitte mit der versteckten Kamera aus «Verstehen Sie Spass?» heute auf Youtube bei einer jüngeren Generation der Renner sind. Die Zuversicht ist zumindest da, dass es einer multimedialen Regionalredaktion gelingen könnte, auch die unter 40-Jährigen zu erreichen, die kein SRF1 hören.
Zur Halbierungsinitiative: In der Samstagsrundschau vom 11. Oktober kündigte SRG-Generaldirektorin Susanne Wille an, dass eine Annahme der Initiative «das Ende der regional verankerten SRG mit ihren Standorten» bedeuten würde. Angesichts solcher Aussichten bangen einige um ihren Job. Dass ausgerechnet jetzt mehrere Führungspersonen wie SRF-Direktorin Nathalie Wappler, der Personalchef sowie der Finanzchef den Hut nehmen, wirkt nicht gerade beruhigend.
Viele von uns machen sich aber weniger Sorgen um ihren Job als vielmehr um die Demokratie. Medien sind «Sauerstoff für die Demokratie». Können sie ihre Funktion noch wahrnehmen, wenn sie stets verkleinert werden?
Wie die Stimmung ist? Die Vorstellung, dass unser Medienhaus, das sich dem medialen Service public verschrieben hat, künftig mit nur noch der Hälfte der Einnahmen auskommen müsste, macht Angst. Wird die Stimmbevölkerung die Wichtigkeit der SRG und die Bedeutung der Regionalredaktionen (an)erkennen? Je nach Umfrage könnte es ein knappes Abstimmungsresultat geben, das verstärkt die Ungewissheit. Nach langem gespanntem Warten werden wir froh sein, endlich Klarheit zu bekommen.
Zum Schluss möchte ich ein Versprechen abgeben: Wenn voraussichtlich am 8. März 2026 über die Halbierungsinitiative abgestimmt wird, wird unsere Redaktion zwar sicherlich mit einem halben Ohr mitverfolgen, wie die nationale Abstimmung herauskommt. Vor allem aber werden wir an diesem Sonntag alle arbeiten und nach bestem Wissen und Gewissen über die Abstimmungen in der Region berichten, also ob im Kanton Solothurn die Familienzulagen erhöht werden und im Aargau die Sozialhilfe gekürzt wird. Wir werden unseren Job machen als Regionaljournalistinnen und -journalisten, weil wir darin einen grossen Sinn sehen.
Und was auch immer passieren wird: Ans Winzerfest Döttingen wird unser Team garantiert auch im nächsten Herbst wieder gehen. Denn eigentlich ist die Stimmung auf der Redaktion super.