Zweisam statt Zweikampf
Maurice Velatis «Aufruf an die PR-Branche» von letzter Woche wurde gehört. Eine Replik von Fabian Gressly, einem aus der Branche.
«Regi»-Leiter Maurice Velati hat vor einer Woche an gleicher Stelle (bzw. hier) seine eher zweifelhaften Erlebnisse mit einem Medienverantwortlichen geschildert. Und weil sein Beitrag «auch und vor allem ein Aufruf an die PR-Branche» war, wie er schrieb, fühle ich mich als ebenfalls in diesem Bereich Tätiger aufgefordert, auf diesen Ruf ein Echo zu liefern. Kein Widerspruch, keine Richtigstellung, keine Verteidigungsschrift. Eher eine Replik von einem, der «auf der anderen Seite» tätig ist. Denn als korrekt agierender Vertreter seiner Gattung – und das beanspruche ich in mich komplett überraschender Unbescheidenheit von mir – fühlt man sich beim Lesen natürlich ein bisschen durch den Dreck gezogen. Auch wenn das nie die Absicht des «Regi»-Leiters war.
Ehe ich 2008 die Seite wechselte, war ich elf Jahre lang journalistisch tätig. Und ja, da kann, muss, darf ich Maurice Velati zustimmen: Man erlebt allerlei Auswüchse. Von Mediensprechern, die finden, dass das, was man frage, die falsche Frage sei. Oder – noch besser – das aufgegriffene Thema sei das komplett falsche, das interessiere doch niemanden und man solle sich besser um anderes kümmern. Solche Aussagen zeigen dem Journalisten, der Journalistin eher, dass er oder sie eben gerade nicht locker lassen sollte. Andererseits ist es auch unangenehm, wenn man vom PR-Verantwortlichen zwar komplett unbehelligt bleibt, nach getätigter Berichterstattung dann aber einen Anruf erhält, in welchem er einen übers Bohnenlied lobt und «weiss, dass er mit dem richtigen geredet hat».
Dass es diese Auswüchse gibt, will ich also gar nicht in Abrede stellen. Nur: Sie kommen – wie ab und zu im Journalismus auch – von Menschen, die ihren Beruf nicht so ausüben, wie sie es nach den Regeln des Standes tun sollten. Vermutlich sind auch darum ehemalige Medienschaffende gefragte Leute in der Unternehmenskommunikation. Sie wissen, wie die Journalist:innen ticken und kennen die Mechanismen der Branche. Sie kennen auch die Grenzen und sind sich – hoffentlich – ihrer Rolle bewusst.
Landläufig haftet «uns» PR-Leuten der Ruf an, wir verdrehen die Wahrheit, erzählen «Gugus» und unterschlagen heikle Informationen. Wer diese Meinung vertritt, kann sich durch die Zeilen von Maurice Velati bestätigt fühlen. Auch wenn er dies, wie bereits festgestellt, bestimmt nie beabsichtigte. Aber eben: Sein «Aufruf an die Branche» hören auch all jene, die ihren Job redlich machen.
Denn ebenso wie für die Medienschaffenden mit den Regeln und Pflichten für Journalisten des Presserats (hier, übrigens durchaus mal lesenswert) gelten auch für PR-Leute Standesregeln in international geltenden Ethik-Kodizes (eine Übersicht gibt es hier). «Wir in der Branche» sind uns durchaus bewusst, dass Kommunikation ein heikles Betätigungsfeld darstellt und Information ein sensibles Gut ist, das missbraucht werden kann. Der Kodex von Lissabon, 1978 verabschiedet, besagt beispielsweise, dass die Unabhängigkeit der Medien zu respektieren ist. Er besagt auch, dass «jeder Versuch, die Öffentlichkeit oder ihre Repräsentanten zu täuschen, nicht zulässig ist».
Seit nunmehr 14 Jahren begleite ich mit meiner Kommunikationsagentur Institutionen und Firmen in ihrer Medienarbeit. Mal übernehme ich sie integral, mal stehe ich nur beratend zur Seite. Dabei setze ich mich natürlich für die Interessen meiner Kunden ein, so gut ich es kann. Aber ich tue das innerhalb der Spielregeln, die für diesen Bereich gelten. Es würde mir, wenn ich als Präsident der Programmkommission oder als SRG-Vorstandsmitglied im Studio Aarau ein und aus gehe, nie einfallen, der «Regi»-Redaktion eine «meiner» Medienkonferenzen schmackhaft zu machen oder in irgendeiner Art und Weise einen Gefallen einzufordern. Denn ich bin mir meiner Rolle bewusst und weiss: Wenn ich meinen Job gut mache, macht die Redaktion den ihrigen auch gut bzw. so, wie sie soll.
Ob als Mitglied der Programmkommission, als Kommunikationsberater oder als Journalist: Es geht unter dem Strich darum, dass jede:r sich ihrer oder seiner Aufgaben und Rollen, aber auch der Grenzen bewusst ist. Und dass man sich im gemeinsamen «Spiel» respektiert. Jede:r, der oder die das nicht tut, erweist den anderen und dem gemeinsamen «Spiel» einen Bärendienst. Denn es rüttelt an der Vertrauensbasis, die für die Arbeit beider Seiten letztlich nötig ist.