Hohe Erwartungen und wenig Sendezeit: Die Wahlen bei SRF
Wenn die Regionalredaktion von SRF über alles berichten würde, was Behörden, Parteien und Organisationen gerne berichtet hätten, dann wäre das «Regionaljournal» eine tagesfüllende Sendung. Wir müssen also filtern. Das gilt auch und ganz besonders in einem Wahljahr.
«Was dürfen wir denn erwarten an Berichterstattung?», fragt mich ein Vertreter einer neuen Partei, die bei den nationalen Wahlen im Oktober zum ersten Mal antritt. Sie hat eine Liste für den Nationalrat eingereicht und möchte natürlich, dass auch unsere Sendung darüber berichtet. In diesem Fall ist die Antwort einfach: Für die Nationalratswahlen sind wir nur bedingt zuständig.
Parteien und ihre Programme werden im nationalen Programm portraitiert, damit sich Wählerinnen und Wähler ein Bild machen können. Die Regionalredaktionen von SRF fokussieren auf die Ständeratswahlen – so, wie wir sonst auf die kantonale Politik fokussieren, kümmern wir uns im Wahljahr in erster Linie um die Vertretungen der Kantone in Bundesbern.
Wenn’s spannend ist, dann ist es zu hören
Das heisst nicht, dass wir nie über die Nationalratswahlen berichten. Die Ausgangslage ist ja spannend: Im Aargau treten über 700 Kandidierende an, so viele wie noch nie. Im Kanton Solothurn wird einmal mehr über Listenverbindungen diskutiert: Der Freisinn spannt wieder nicht mit der SVP zusammen, die SVP will sich dafür die Stimmen der neuen Bewegung «Massvoll» sichern. Relevante und interessante Wahlkampf-Geschichten, die es natürlich auch bei uns zu hören und lesen gibt.
Auf der SRF News App werden demnächst die Wahl-Seiten zu den verschiedenen Kantonen publiziert. Selbstverständlich sind es Redaktorinnen und Redaktoren der Regionalstudios, welche diese Informationen für das Wahlvolk zusammenstellen. Und auch am Radio gibt es immer mal wieder «Wahlkampf»-Geschichten zum Nationalrat: Die oben erwähnten Beispiele wurden natürlich auch im «Regionaljournal» thematisiert.
Wahlhilfe und Service für Hörerinnen und User
Aber eben: Der Fokus liegt auf den Ständeratswahlen. Hier hat SRF die Aufgabe, eine umfangreiche «Wahlhilfe» zu bieten. Das heisst: Im «Regionaljournal» werden alle Kandidierenden der etablierten Parteien zu einem längeren Gespräch ins Studio eingeladen und kritisch befragt. Damit das Interview ausreichend «Tiefgang» hat, ist dafür ziemlich viel Sendezeit reserviert in den Abendsendungen um 17:30 Uhr im September.
Für die Gespräche gibt es ein klar umrissenes Konzept, damit alle Kandidierenden «Chancengleichheit» haben, journalistisch also fair behandelt werden. Selbstverständlich erhalten auch Kandidierende von neuen oder weniger etablierten Gruppierungen eine Plattform. Da ihre Wahlchancen aber gering sind und sie häufig auch über wenig oder gar keine politische Erfahrung verfügen, werden sie in kürzeren Formaten portraitiert. Dieses Vorgehen ist bei SRF üblich und wurde bereits mehrfach von diversen Instanzen als richtig beurteilt.
Die Programmkommission SRG hört kritisch mit
Tatsächlich sind klare publizistische Regeln in einem Wahljahr besonders wichtig. Denn es ist klar, dass alle Kandidierenden möglichst viel Sendezeit oder Online-Präsenz in den Medien möchten. Weil der Platz beschränkt ist, müssen wir ihn «fair» verteilen.
Das bedeutet zum Beispiel, dass die Redaktion «Buch führt» über alle Radiobeiträge, welche zu den Wahlen 2023 produziert und gesendet werden. So stellen wir sicher, dass nicht einzelne Parteien oder Gruppierungen über Gebühr vertreten sind in unserem Programm. Gleichzeitig schränkt uns diese «Erbsenzählerei» natürlich ein: Nicht jedes möglicherweise spannende Thema schafft es ins Programm, da wir eben auf Ausgewogenheit achten müssen.
Medienpräsenz ist nicht alles
Wie schon in anderen Jahren üblich, wird auch diese Wahlberichterstattung von der Programmkommission der SRG kritisch begleitet. Ich bin schon jetzt gespannt auf das Urteil unserer «Profi-Hörerinnen und Profi-Hörer». Und selbstverständlich rechne ich auch in diesem Jahr wieder mit verärgerten Reaktionen von Kandidierenden. Denn wie erwähnt: Wir werden wohl kaum alle ihre Ansprüche erfüllen können.
Allerdings weise ich bei dieser Gelegenheit jeweils gerne daraufhin, dass ein Interview im «Regionaljournal» oder eine Erwähnung in einem Artikel auf der SRF News App noch keinen Wahlerfolg garantiert. Präsenz auf der Strasse und in sozialen Medien, ein klares und verständlich formuliertes politisches Programm sind wohl wichtiger. Ich empfehle Kandidierenden zudem das Ausfüllen der Smartvote-Fragebogen– nur so werden sie dann von potentiellen Wählerinnen und Wählern nämlich gefunden, wenn jemand die beliebte Online-Wahlhilfe nutzt (was natürlich auch über die SRF-Website möglich sein wird).
Kurzum: Für einen Sitz unter der Bundeshauskuppel reicht ein Besuch im Studio Aarau oder Solothurn wohl nicht. Für die Wählerinnen und Wähler aber versuchen wir natürlich ein möglichst attraktives Programm zu gestalten, das beim Wahlentscheid möglichst gut hilft. Im Rahmen unserer beschränkten Möglichkeiten... und immer auch im Bewusstsein, dass sich die (regionale) Welt neben den Wahlen natürlich weiterdreht.
Alle Informationen zu den Wahlen 2023 – das Gesamtangebot für Wählerinnen und Wähler von SRF findet sich online unter srf.ch/wahlen